Koalitionsfraktionen wollen Ferkelkastration ohne Betäubung weiter erlauben
Das Verbot der betäubungslosen Kastration von Ferkeln kommt später als geplant. Die Koalitionsfraktionen einigten sich auf eine Verschiebung um zwei Jahre auf Ende 2020, wie Unionsfraktionsvize Gitta Connemann (CDU) am Samstag mitteilte. Von den Grünen kam scharfe Kritik an der Entscheidung. Der Parteivorsitzende Robert Habeck warf der großen Koalition vor, dem Tierschutz keinerlei Stellenwert zuzumessen.
Eigentlich sollten die Bauern in Deutschland laut Tierschutzgesetz zum Jahresende die chirurgische Kastration ohne Betäubung bei unter acht Tage alten männlichen Schweinen einstellen. Ab 1. Januar 2019 müsste dann ein Verfahren angewendet werden, das Schmerzen wirksam ausschaltet. Sofern das nicht möglich ist, müssten die Tierhalter auf eine chirurgische Kastration verzichten. Durch den neuen Gesetzentwurf von Union und SPD sollen die Betriebe nun mehr Zeit für die Umstellung erhalten.
Kritiker des Verbots, unter anderem die Bauern selbst, führen vor allem an, dass es bislang keine praktikablen Alternativmethoden zur Ferkelkastration gebe. Diese wird für notwendig gehalten, da männliche Schweine andernfalls den als unangenehm empfundenen Ebergeruch entwickeln können. Auch Connemann verteidigte die Verschiebung: "Ohne ein Handeln des Gesetzgebers würden gerade die kleinen Höfe ab dem kommenden Jahr vor einem unlösbaren Problem stehen", erklärte sie.
Grünen-Chef Habeck dagegen sagte der Nachrichtenagentur AFP, die betäubungslose Kastration sei unnötig. "Es gibt Alternativen, sie werden in anderen Ländern praktiziert, die Unbedenklichkeit ist nachgewiesen und es gab fünf Jahre Vorbereitungszeit."
"Wenn wir schon Tiere töten, um sie zu essen, dann müssen wir ihnen wenigstens in ihrem kurzen Leben unnötiges Leid ersparen", mahnte Habeck. Die Koalition solle "zu dem stehen, was längst beschlossen ist, und sich um die Umsetzung kümmern". Der Beschluss, die Übergangszeit bis zum Inkrafttreten des Verbots einfach zu verlängern, sei "ein klägliches Verständnis" von Politik. "Offenkundig hat Tierschutz keinen Stellenwert in dieser Koalition", urteilte Habeck.
Der Grünen-Agrarexperte Friedrich Ostendorff kritisierte die Verschiebung ebenfalls scharf und äußerte Zweifel daran, dass diese verfassungsgemäß ist. Er forderte vor allem Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) auf, die Tierhalter in die Pflicht zu nehmen, "statt ein Mindestmaß an Tierschutz zu bekämpfen und damit noch mehr Vertrauen der Bevölkerung in die Tierhaltung zu riskieren". Auch Ostendorff wies darauf hin, dass es bereits eine fünfjährige Übergangsfrist gegeben habe, die jedoch "schlichtweg verschlafen" worden sei.
Laut einem Bericht der "Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft" wollen die Koalitionsfraktionen rasch die Voraussetzungen schaffen, dass Landwirte oder sachkundige Dritte die Betäubung von Ferkeln selbst vornehmen können. Vorgesehen sei, das Inhalationsmittel Isofluran mittels Verordnung unverzüglich nach dem Jahreswechsel zuzulassen, praktische Fragen dazu schnell zu klären und dann die Methode flächendeckend verfügbar zu machen.
(Y.Ignatiev--DTZ)