Soziales: Gaststätten-Gewerkschaft fordert mehr Arbeitszeitkontrollen
Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) fordert mehr Arbeitszeitkontrollen. Immer öfter müssten Beschäftigte "entgrenzte" Arbeitszeiten hinnehmen, die von den Behörden aber kaum kontrolliert würden, ergab eine am Mittwoch in Berlin vorgestellte Untersuchung. Die NGG-Vorsitzende Michaela Rosenberger sprach von einem "Kontroll-Desaster": Das Arbeitszeitgesetz als eines der wichtigsten Schutzgesetze für Beschäftigte drohe zum "Papiertiger" zu werden.
Die Untersuchung des Pestel-Instituts beruft sich auf Angaben der Bundesregierung, des Statistischen Bundesamts und der Arbeitsagentur. Demnach kontrollierten die Bundesländer immer weniger. Branchenübergreifend besuchten die zuständigen Behörden vergangenes Jahr gerade einmal je nach Land 0,5 bis 3,4 Prozent aller Betriebe. In Berlin waren es vergangenes Jahr 226 Kontrollen bei einer Gesamtzahl von rund 97.000 Betrieben. "Wenn die Stadt weiterhin auf dem Niveau kontrolliert, dann sind in gut 430 Jahre alle Betriebe einmal überprüft", stellen die Gutachter fest.
Dabei wurde bei mehr als jeder zweiten Kontrolle ein Verstoß gegen das Arbeitszeitengesetz festgestellt. Laut Untersuchung gilt aber: Je mehr die Behörden kontrollieren, desto mehr Verstöße finden sie. Insbesondere Beschäftigte im Gastgewerbe und der Lebensmittelindustrie seien von Nacht-, Abend- und Schichtarbeit betroffen, schreiben die Forscher. Die Belastung habe in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen.
Wie die Arbeitsforscherin Anita Tisch von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin berichtete, können Angestellte im Gastgewerbe seltener Einfluss auf ihre Arbeitszeiten nehmen und die Arbeitgeber verlangten viel Flexibilität von ihnen. Die Beschäftigten klagten zudem überdurchschnittlich viel über Rücken- und Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Erschöpfung.
Der NGG geht es mit der Untersuchung darum, Forderungen nach einer Lockerung des Arbeitszeitengesetzes entgegenzutreten. "Statt über Experimentierräume beim Arbeitszeitgesetz nachzudenken, sollte die große Koalition sich lieber um eine wirksame Kontrolle kümmern", erklärte NGG-Vorsitzende Rosenberger.
Auch Wissenschaftlerin Tisch ist gegen eine Lockerung. Bereits jetzt gebe es eine Vielzahl von Ausnahmen im Gesetz. Sie empfiehlt Beschäftigten mit flexiblen Arbeitszeiten, ihre Arbeitsstunden systematisch aufzuschreiben. (O.Tatarinov--DTZ)