Samsung-Chef will in "beispielloser Krise" Platz für Neuanfang machen
Rücktritt trotz Rekordergebnis: Samsung-Chef Kwon Oh Hyun will angesichts einer "beispiellosen Krise" bei dem südkoreanischen Technologie-Giganten Platz für einen Neuanfang machen. Bei dem Konzern, der noch immer mit den Folgen eines Korruptionsskandals kämpft, sei ein "neuer Geist und eine neue Führung" nötig, sagte Kwon am Freitag. Wirtschaftlich steuert der größte Smartphone-Hersteller der Welt hingegen auf ein Rekordergebnis zu - und rechnet mit einem Gewinn von umgerechnet 10,8 Milliarden Euro im dritten Quartal.
Bei Samsung sei es Zeit für einen Neustart mit einer jüngeren Unternehmensführung, begründete Kwon in Seoul seine Rücktrittsankündigung. So könne sich der Konzern, der für ein Fünftel der südkoreanischen Wirtschaftsleistung verantwortlich ist, besser für die kommenden Herausforderungen in der "sich schnell wandelnden IT-Branche" wappnen. Schließlich gelte es eine "beispiellose Krise" zu meistern.
Samsung wird noch immer vom Korruptionsskandal um Samsung-Erbe Lee Jae Yong erschüttert. Im August war der De-facto-Chef des Konzerns wegen Bestechung, Unterschlagung von Gesellschaftsvermögen und Meineids zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Hintergrund des Verfahrens gegen Lee ist die Korruptionsaffäre um Südkoreas frühere Präsidentin Park Geun Hye. Samsung soll Bestechungsgelder an Parks frühere Vertraute Choi Soon Sil gezahlt haben. Lee wie auch die Staatsanwaltschaft legten Berufung gegen das Urteil ein.
Die plötzliche Rücktrittsankündigung Kwons könnte deshalb auch eine Strategie sein, ein milderes Urteil gegen Lee zu erreichen, sagte Shim Jun Taik, Autor mehrerer Bücher über Samsung und die Unternehmenskultur bei dem Konzern. Lees Anwälte könnten demnach argumentieren, dass Samsung mit dem Rücktritt seines altgedienten Chefs nun umso mehr Lee zurück an der Spitze des Unternehmens brauche, sagte Shim. Diese Taktik sei in der Vergangenheit bereits von mehreren familiengeführten südkoreanischen Großkonzernen angewandt worden.
Beobachtern zufolge könnte der Abschied Kwons möglicherweise auch auf weitere Personaländerungen an der Samsung-Spitze hindeuten. Dort habe es in den vergangenen Jahren so gut wie keine Veränderungen gegeben, "in der sich sich schnell wandelnden Technologiebranche ist das wie eine Ewigkeit", sagte ein Analyst, der namentlich nicht genannt werden wollte.
Ungeachtet dessen läuft es für Samsung wirtschaftlich durchaus nach Plan. Für das dritte Quartal wird ein Rekordgewinn von 14,5 Billionen Won (10,8 Milliarden Euro) erwartet. Damit würde das Unternehmen den Gewinn im Vorjahreszeitraum von 5,2 Billionen Won nahezu verdreifachen. "Glücklicherweise fährt das Unternehmen jetzt seine besten Ergebnisse überhaupt ein, aber das ist vornehmlich das Ergebnis von Entscheidungen und Investitionen in der Vergangenheit", erklärte Kwon.
Zu den Zahlen seiner einzelnen Sparten machte Samsung am Freitag keine Angaben. Angesichts des derzeitigen weltweiten Booms von Halbleitern, wie sie unter anderem in Mikroprozessoren verwendet werden, gehe er aber davon aus, dass allein diese Sparte rund zehn Billionen Won Profit eingefahren habe, sagte der Analyst Kwon Sung Ryul von Dongbu Securities der Nachrichtenagentur AFP.
Auch steigende Verkaufszahlen der Samsung-Smartphones Galaxy S8 und Galaxy Note 8 dürften Analysten zufolge zu dem Rekordergebnis beitragen. Neue Modelle der Konkurrenz, wie das iPhone X des US-Herstellers Apple, könnten diese Zahlen zwar etwas abschwächen, sagte der Analyst Doh Hyun Woo. Dies würde seinen Angaben zufolge aber zugleich Rückenwind für andere Teile des Samsung-Konzerns bedeuten: die Produktion und Zulieferung von Smarthpone-Komponenten.
(Y.Ignatiev--DTZ)