Luxemburg muss von Amazon 250 Millionen Euro Steuern nachfordern
Die EU-Kommission hat von Luxemburg verlangt, 250 Millionen Euro an unzulässigen Steuervergünstigungen vom Online-Händler Amazon zurückzufordern. Die Nachlässe für das US-Unternehmen verstießen gegen europäische Regeln zu Staatsbeihilfen, erklärte die Behörde am Mittwoch in Brüssel. Amazon wies die Vorwürfe zurück, Luxemburg prüft noch, ob es Einspruch gegen die Entscheidung einlegt.
Durch die Vergünstigungen seien "fast drei Viertel der Gewinne von Amazon nicht besteuert" worden, erklärte ihrerseits EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. "Mit anderen Worten zahlte Amazon nur ein Viertel der Steuern, die andere, lokale Unternehmen entrichten mussten, obwohl sie den gleichen nationalen Steuerregeln unterlagen." Dies sei nach EU-Beihilfevorschriften verboten. "Die Mitgliedstaaten dürfen multinationalen Konzernen keine selektiven Steuervergünstigungen gewähren." Amazon wies die Vorwürfe zurück: Das Unternehmen habe "keine besondere Behandlung durch Luxemburg erhalten" und seine Steuern in Übereinstimmung mit nationalem und internationalem Recht gezahlt, erklärte Amazon.
Luxemburg erklärte, es nehme den Beschluss der Kommission "zur Kenntnis". Es werde die Entscheidung nun analysieren und behalte sich alle rechtlichen Schritte vor, hieß es in einer Mitteilung des luxemburgischen Finanzministeriums. Es verwies darauf, dass der Fall bis zum Jahr 2006 zurückreiche. "Da Amazon in Übereinstimmung mit den damals anwendbaren Steuerregeln besteuert wurde, geht Luxemburg davon aus, dass die Firma keine unzulässigen Staatsbeihilfen bekam."
Der Grünen-Finanzexperte im Europaparlament, Sven Giegold, bezeichnete die Rückforderung von 250 Millionen Euro als "im Vergleich zum Ausmaß des Steuerdumpings von Amazon erschreckend niedrig". Dies zeige, dass Wettbewerbsrecht "eine wirklich europäische Steuerpolitik nicht ersetzen" könne. Nötig sei eine gemeinsame Bemessungsgrundlage für Unternehmenssteuern in der EU.
Die Affäre war durch die sogenannten LuxLeaks-Enthüllungen ins Rollen geraten. Anfang November 2014 hatte ein internationales Recherchenetzwerk detailliert über hunderte Fälle berichtet, in denen multinationale Konzerne in Luxemburg auf Kosten anderer EU-Länder Steuerzahlungen vermeiden.
Dadurch kam damals auch der frisch gewählte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker unter Druck. Denn der Christdemokrat war fast zwei Jahrzehnte lang Finanzminister und Regierungschef von Luxemburg. Juncker musste sich darauf im ersten Amtsmonat einem Misstrauensvotum im Europaparlament stellen, das von EU-feindlichen und rechten Parteien organisiert worden war. Es wurde mit großer Mehrheit zurückgewiesen. Vestager sagte am Mittwoch auf eine Frage nach Junckers Verantwortung, es gehe "nicht um kriminelle Ermittlungen", die sich gegen bestimmte Personen richteten. Ziel der Verfahren zu Staatsbeihilfen seien Mitgliedstaaten.
Bei einer Anhörung im Mai 2017 zu den Enthüllungen um Briefkastenfirmen in Panama hatte Juncker eingeräumt, als Regierungschef die Notwendigkeit eines fairen Steuerwettbewerbs in Europa "vernachlässigt" zu haben. Er sah dies aber als Fehler der Vergangenheit: "Wir lebten in einer vollkommen anderen Welt", sagte Juncker damals und verwies auf das heutige Vorgehen der Kommission gegen Steuervermeidung und -hinterziehung.
Die Kommission ist in ähnlichen Fällen bereits gegen den Autobauer Fiat-Chrysler in Luxemburg und die Kaffeehauskette Starbucks in den Niederlanden vorgegangen. Sie hatte von ihnen im Oktober 2015 Steuernachzahlungen von jeweils rund 30 Millionen Euro gefordert. Im August 2016 forderte sie dann, dass Irland vom US-Computerkonzern Apple 13 Milliarden Euro zurückfordert. (Y.Ignatiev--DTZ)