Fipronil-Skandal laut Niedersachsen größer als vom Bund behauptet
Das Ausmaß im Skandal um Fipronil-Eier in Deutschland ist nach Angaben aus Niedersachsen größer als vom Bund angegeben. Das niedersächsische Landwirtschaftsministerium sprach am Mittwoch von über 35 Millionen möglicherweise belasteten Eiern, die allein nach Niedersachsen geliefert wurden. Das Bundeslandwirtschaftsministerium wies die Angaben zurück und blieb bei der Zahl von 10,7 Millionen belasteten Eiern. Der Bund warnte zudem davor, mit dem Thema "Wahlkampf zu machen".
Zuerst hatte die "Neue Osnabrücker Zeitung" am Mittwoch berichtet, dass allein nach Niedersachsen mehr als 28 Millionen Eier geliefert wurden, die möglicherweise mit dem Insektizid belastet sind. Zusätzlich sollen aus dem Bundesland knapp 17 Millionen Fipronil-Eier nach außerhalb geliefert worden sein, die aus Verdachtsbetrieben in den Niederlanden sowie aus vier Legehennenbetrieben in Niedersachsen stammen, in denen das Insektizid nachgewiesen wurde.
Zusammengetragen wurden die Zahlen aus Angaben im EU-Schnellwarnsystem, wie das niedersächsische Ministerium schließlich bestätigte. Demnach handelt es sich mit Stand vom Montag sogar um 35,3 Millionen nach Niedersachsen gelieferte Eier, die möglicherweise mit dem Insektizid belastet sind. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) spiele das Problem "herunter", kritisierte der niedersächsische Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne). Niedersachsen hingegen habe belastete Probenergebnisse umgehend nach Erhalt Anfang August an den Bund gemeldet.
Das CSU-geführte Bundeslandwirtschaftsministerium wies die Zahlen zurück. Eine "rein mathematische Zusammenführung von Zahlen aus einem System" führe zu einer "massiven Überschätzung" der Eier, die tatsächlich in den Handel gelangt seien, sagte eine Ministeriumssprecherin in Berlin. Die genannten Eier seien "nicht die, die auch verkauft wurden", da nicht alle gelieferten Eier in den Handel gelangt seien. Es gelte die vom Ministerium genannte Zahl von 10,7 Millionen belasteten Eier in Deutschland.
Scharfe Kritik an Schmidt übten die Grünen auch auf Bundesebene. Dass nun die Zahl von 28 Millionen möglicherweise belasteten Eiern bekannt werde, sei ein "Armutszeugnis" für die Informationspolitik von Schmidt, erklärte Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt. Die Verbraucher fühlten sich von der Regierungskoalition alleingelassen.
Die Verbraucherorganisation Foodwatch sprach ebenfalls von einer "katastrophalen Informationspolitik". Von einer funktionierenden Rückverfolgbarkeit von Produkten könne "keine Rede sein". Noch immer wüssten Verbraucher nicht, welche verarbeiteten Produkte betroffen seien.
Der Skandal hat seinen Ursprung in Belgien und den Niederlanden. Die belgische Firma Poultry-Vision lieferte ein mit der Chemikalie Fipronil gepanschtes Desinfektionsmittel an die niederländische Reinigungsfirma Chickfriend, die es anschließend offenbar in den Ställen von Legehennen einsetzte.
Derzeit sind 17 europäische Länder von dem Skandal betroffen, am Dienstag kam Ungarn hinzu. Wie die Behörde für Lebensmittelsicherheit des Landes mitteilte, wurden Tiefkühlgerichte asiatischer Art zurückgerufen, in denen möglicherweise belastete Eier verarbeitet sind. Sie wurden demnach von einer ungarischen Firma aus Deutschland angeliefert. (W.Uljanov--DTZ)