Klimaforscher: Kampf gegen Erderwärmung nicht wegen anderer Krisen vernachlässigen
Vor der Veröffentlichung des Berichts des Weltklimarats IPCC hat der Klimawissenschaftler Jochem Marotzke davor gewarnt, den Kampf gegen die Erderwärmung weiterhin wegen anderer Krisen zu vernachlässigen. Die Bekämpfung des Klimawandels rücke "bei kurzfristigen Krisen" wie etwa dem Ukraine-Krieg immer wieder "erheblich in den Hintergrund", sagte der Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Meteorologie, der am aktuellen und vorherigen Sachstandsbericht des IPCC mitgearbeitet hat, am Montag im Deutschlandfunk.
Der Kampf gegen den Klimawandel sei jedoch "wirklich eine Jahrhundertaufgabe" und dürfe nicht aufgeschoben werden. Schließlich sei "völlig klar, dass die politischen Weichen in diesem Jahrzehnt gestellt werden müssen", um die Ziele des Pariser Klimaabkommens noch zu erreichen, sagte Marotzke. Derzeit sei die Welt bei der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens allerdings nicht auf Kurs. "Wenn die Menschheit so weiter macht wie jetzt mit den CO2-Emissionen, werden wir die Pariser Klimaziele reißen", warnte der Klimaforscher.
Auch der Klimaforscher Hans-Otto Pörtner betonte, dass der Menschheit für die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens nur "ein begrenztes Zeitfenster zur Verfügung" stehe. Die Politik müsse "aufhören, Verzögerungsstrategien zu fahren", sagte der Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts im ZDF-"Morgenmagazin". Noch sei die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten. Dies hänge aber vom "entschiedenen Handeln ab, von dem politischen Willen, die Gesellschaft mitzunehmen".
"Wir können heute noch nicht sagen, dass wir es nicht schaffen", sagte Pörtner, der federführend am aktuellen Sachstandsbericht des IPCC mitgearbeitet hat. "Aber wir können natürlich sagen, das Risiko ist durch die Verzögerungen der letzten Jahrzehnte massiv gestiegen, dass wir das 1,5-Grad-Ziel reißen werden." Aber auch in diesem Fall dürfe die Menschheit die Hände nicht in den Schoß legen, sondern müsse daran arbeiten, die Erderwärmung wenigstens "auf ein Mindestmaß" zu begrenzen.
Der Weltklimarat IPCC veröffentlicht am Montagnachmittag im schweizerischen Interlaken eine umfangreiche Zusammenfassung der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Ursachen und Folgen der Erderwärmung. Der sogenannte Synthesebericht fasst die drei Teile des Sechsten IPCC-Sachstandsberichts zusammen, die der Weltklimarat seit August 2021 veröffentlicht hat. Außerdem fließen Erkenntnisse aus den IPCC-Sonderberichten zum 1,5-Grad-Ziel, zur Landnutzung und zu der Veränderung von Meeren und Eisflächen durch den Klimawandel ein, die 2018 und 2019 veröffentlicht wurden.
Aufgabe des Weltklimarats ist es, die Politik neutral über die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Klimaveränderung und über mögliche Gegenmaßnahmen zu informieren. Dem IPCC gehören 195 Staaten an. Alle fünf bis sechs Jahre veröffentlicht der IPCC umfassende Überblicke über den aktuellen Stand der Klimaforschung. Der aktuelle Bericht ist also maßgeblich für dieses Jahrzehnt.
(U.Stolizkaya--DTZ)