Bauern beklagen unterdurchschnittliche Ernte und warnen vor neuen Belastungen
Ein bisschen besser als 2021, aber immer noch unterdurchschnittlich - so lautet die vorläufige Erntebilanz des Deutschen Bauernverbands für dieses Jahr. Bauernpräsident Joachim Rukwied betonte am Dienstag, die regionalen Unterschiede bei der Erntebilanz seien wegen des unregelmäßig verteilten Niederschlags sehr groß. Insgesamt bleibe die Versorgungslage "angespannt".
Die Deutschen Landwirtinnen und Landwirte ernteten den Angaben zufolge dieses Jahr etwa 43 Millionen Tonnen Getreide, etwas mehr als 2021. Allerdings lag die Ernte erneut unter dem Durchschnitt der vergangenen acht Jahre, wie der Bauernverband auf Grundlage vorläufiger Zahlen mitteilte.
Die bedeutendste in Deutschland angebaute Getreideart ist Winterweizen - hier wurden dieses Jahr den Angaben zufolge knapp 22 Millionen Tonnen geerntet. Das sei "etwas mehr" als im Vorjahr, die Menge liege aber um acht Prozent unter dem Durchschnitt von 2014 bis 2021, wie Rukwied auf einer Pressekonferenz ausführte. Das Dürrejahr 2018 wird bei dieser Statistik nicht berücksichtigt.
Es sei damit zu rechnen, dass beim Weizen die Bestände weiter zurückgingen, sagte Rukwied mit Blick auf den Krieg in der Ukraine, einem wichtigen Getreideproduzenten. Es herrsche Versorgungsknappheit in Europa, aber auch auf dem Weltmarkt.
Zu den noch nicht geernteten Herbstkulturen sagte Rukwied, auch hier spiele die Niederschlagsmenge eine zentrale Rolle. In den Regionen vor allem in der Mitte Deutschlands, die seit langem auf Regen warteten, sei mit Ertragseinbußen von bis zu 50 Prozent zu rechnen. Dies betreffe Körnermais und Zuckerrüben, zum Teil aber auch Kartoffeln. In den Trockengebieten sei außerdem die Tierfutterproduktion ins Stocken geraten.
Gut sieht es laut Rukwied hingegen bei den Äpfeln aus: Hier werde eine leicht überdurchschnittliche Ernte erwartet. Beim Wein wiederum erwarte der Verband "einen ausgezeichneten 2022er Jahrgang".
Besorgt zeigte sich Rukwied wegen eines Vorschlags der EU-Kommission, wonach der Einsatz von chemischen Pestiziden bis 2030 um die Hälfte reduziert werden soll. Sollte dies beschlossen werden, wäre eine "Ernährungskrise in Europa" die Folge, warnte der Bauernpräsident. Schlimmstenfalls würden 3,5 bis fünf Millionen Hektar Agrarfläche stillgelegt. Dies müsse "politisch verhindert" werden, verlangte Rukwied.
Er rief zudem die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die landwirtschaftlichen Betriebe in Erinnerung - die Energiepreise hätten sich verdoppelt, die Preise für Düngemittel sogar vervierfacht. Die Bäuerinnen und Bauern bräuchten "stabile und in der Tendenz steigende Erlöse, um weiter wirtschaften zu können".
Der Agrarexperte der Umweltschutzorganisation WWF, Johann Rathke, betonte, die erneute durchwachsene Erntebilanz habe "menschengemachte Ursachen" - die extreme Dürre sei eine Folge der Klimakrise. "Sie sollte auch die letzten Bremser überzeugen, endlich wirksamen Klima- und Umweltschutz als integralen Bestandteil in der Landwirtschaft zu verankern. Nur so kann Ernährungssicherheit dauerhaft gewährleistet werden."
FDP-Fraktionsvize Carina Konrad sagte der Nachrichtenagentur AFP, angesichts der globalen Hungerkrise und immer stärkeren Auswirkungen des Klimawandels seien Maßnahmen nötig, "die die Landwirtschaft jetzt zukunftsfest machen und dafür sorgen, dass auf der knappen Ackerfläche nachhaltig mehr produziert werden kann". Dabei "müssen wir in der Koalition auch ernsthaft über grüne Biotechnologie und neue Züchtungsmethoden sprechen", forderte sie. Die ablehnende Haltung der grün-geführten Ministerien für Landwirtschaft und Umwelt "gegenüber diesen Innovationen lässt sich auch hier am Ende nicht sachlich begründen".
(L.Møller--DTZ)