Scholz trifft Lula zu Gesprächen über Energie, Klima und Demokratie
Als erster westlicher Staats- oder Regierungschef seit den Krawallen in Brasília wird Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Montag zu einem offiziellen Besuch in Brasilien erwartet. Der neue brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva empfängt den Kanzler am Nachmittag (Ortszeit) in der Hauptstadt. Nach Gesprächen zu den Themen Klima, Energie und Demokratie im Präsidentenpalast ist für den Abend eine gemeinsame Pressekonferenz geplant.
Scholz kommt aus Chile, wo er der Regierung deutsche Unterstützung beim Aufbau einer Gedenkstätte für die Opfer der früheren Sektensiedlung Colonia Dignidad zusagte.
Der erst Anfang Januar vereidigte, linksgerichtete Lula hat den Klimaschutz zu einer Priorität seiner Regierung erklärt und versprochen, die Abholzung im Amazonasgebiet bis 2030 komplett zu stoppen. Außerdem will er die Nutzung grüner Energien ausweiten. Bei den Gesprächen mit Scholz soll es deshalb besonders um Klimafragen, um eine Zusammenarbeit in der Energiepolitik und bei grünem Wasserstoff sowie um die Verteidigung der Demokratie gehen.
Wenige Tage nach Lulas Amtsantritt im Januar hatten Anhänger von dessen rechtsradikalem Vorgänger Jair Bolsonaro das Regierungsviertel in Brasília gestürmt, mit dem Ziel, Lula zu stürzen. Nach zunächst mehr als 2000 Festnahmen steht die brasilianische Justiz aktuell vor der Mammutaufgabe, hunderte Verantwortliche vor Gericht zu bringen.
Scholz will bis Dienstag in Brasilien bleiben, der letzten Station seiner viertägigen Südamerika-Reise, die ihn bereits nach Argentinien und Chile führte. Ziel von Scholz' Reise sind vor allem neue Partnerschaften im Bereich der Lieferung von Rohstoffen und Energieträgern. Damit soll Deutschlands Versorgung etwa bei Seltenen Erden oder Lithium unabhängiger von Ländern wie China gemacht werden. Begleitet wird Scholz von rund einem Dutzend deutschen Unternehmensvertretern.
In Argentinien hatte Scholz am Samstag bereits auf eine schnelle Einigung für ein Freihandelsabkommen mit dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur gedrängt, das über zwei Jahrzehnte verhandelt wurde, aber noch nicht ratifiziert ist. Das Abkommen mit den aktuellen Mercosur-Mitgliedern Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay und ihren insgesamt 300 Millionen Einwohnern würde die größte Freihandelszone der Welt schaffen. Allerdings gibt es für das Abkommen in der jetzigen Form Gegenwind auch von der Deutschen Umwelthilfe, die auf mehr Regenwaldschutz pocht.
Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) ist schon seit Samstag in Brasilien und hat sich am Wochenende mit Gewerkschaftsvertretern und der Industrie getroffen. "Wir werden die neue brasilianische Regierung mit deutlich mehr Mitteln unterstützen als die Vorgängerregierung unter Präsident Bolsonaro", sagte sie vor ihrer Abreise. Neben ihrer Teilnahme am Gespräch mit Scholz und Lula trifft sich Schulze in Brasilien mit weiteren Kabinettsmitgliedern der Lula-Regierung, darunter die Leiterin des neu gegründeten Ministeriums für indigene Angelegenheiten, Sonia Guajajara.
Auch der Ukraine-Krieg ist ein wichtiges Thema bei der Südamerika-Reise von Scholz. In Chile lobte er die Regierung dort für ihre "sehr klare Haltung bei der Verurteilung der russischen Aggression". Scholz erinnerte in Santiago daran, dass der russische Angriffskrieg "keine rein europäische Angelegenheit, sondern eine Herausforderung für die internationale Ordnung insgesamt" sei. Der Krieg habe weitreichende Folgen etwa mit Blick auf die Rohstoffpreise und die Ernährungssicherheit.
In Chile sagte Scholz der Regierung von Präsident Gabriel Boric auch Unterstützung beim Aufbau einer Gedenkstätte für die Opfer der früheren deutschen Sektensiedlung Colonia Dignidad zu. In der 1961 gegründeten sektenartigen Siedlung wurden zur Zeit der Militärdiktatur von Augusto Pinochet in den Jahren 1973 bis 1990 Menschen vergewaltigt, gefoltert und getötet. Die Siedlung war von dem aus Deutschland geflohenen ehemaligen Wehrmachtsgefreiten und Laienprediger Paul Schäfer gegründet worden.
(U.Stolizkaya--DTZ)