Stabilitätsrat sieht Rekordverschuldung als Herausforderung - und als unumgänglich
Der Stabilitätsrat von Bund und Ländern sieht die Rekordneuverschuldung von Bund und Ländern als "beispiellose Herausforderung", hält die bislang dazu auf den Weg gebrachten Maßnahmen im Grundsatz aber für richtig und unumgänglich. Die Maßnahmen seien "unverzichtbar, um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise abzufedern und das Gesundheitssystem zu stützen", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung nach Beratungen des Gremiums am Montag.
Auch die Kreditfinanzierung des von der Regierung auf den Weg gebrachten Konjunkturprogramms sei "angesichts der Ausnahmesituation unvermeidbar" und somit trotz Überschreitung der von EU und Grundgesetz vorgesehenen Obergrenzen zulässig. "Die zusätzliche Verschuldung sollte jedoch auf das notwendige Maß begrenzt werden", mahnte der Stabilitätsrat.
"Entschlossenes Handeln gehört zu verantwortungsvoller Finanzpolitik", sagte dazu Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). "Nichtstun würde die Krise verschärfen und die Kosten erhöhen." Es gehe jetzt darum, wieder mehr Wachstum zu schaffen. Auch sei der Schuldenstand in Deutschland aufgrund solider Finanzpolitik in den Vorjahren immer noch auf einem niedrigeren Niveau als in manchen anderen Ländern vor der Corona-Krise.
Die Maßnahmen seien "stark davon geprägt, Arbeitsplätze zu erhalten" und es sei "auch auf eine sozial ausgewogene Verteilung geachtet worden", sagte die rheinland-pfälzische Finanzministerin Doris Ahnen (SPD). Schleswig-Holsteins Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) hob die Bedeutung der Investitionen "in eine nachhaltige Transformation unserer Wirtschaft" hervor. Wenn schon den jüngeren Generationen höhere Schulden hinterlassen würden, sei es umso wichtiger, die Kredite auch dafür einzusetzen, um bei Zukunftsaufgaben wie Klimaschutz und Digitalisierung weiterzukommen.
Kritik an fehlenden mittel- und langfristigen Prognosen übte der Vorsitzende des unabhängigen Beirats des Stabilitätsrats, Thiess Büttner: "Es macht uns Sorgen, dass das, was uns vorgelegt wurde, über die folgenden Jahre nichts sagt". Der Beirat habe zumindest ein Bekenntnis von Bund und Ländern zu einer Rückkehr zur Einhaltung der vorgesehenen Schuldenobergrenzen nach der Krise erwartet, gab er zu bedenken. Kritisch äußerte er sich auch zu der geplanten Aufnahme von Krediten auf EU-Ebene.
Scholz sagte dazu, es solle für längerfristige Prognosen zunächst die weitere Entwicklung abgewartet werden, insbesondere die im September geplante Sonder-Steuerschätzung. Die Steuereinnahmen dürften wegen des Konjunktureinbruchs und beschlossener steuerlicher Entlastungen im laufenden Jahr rund 100 Milliarden Euro niedriger ausfallen als im vergangenen November erwartet. Für das BIP wird von der Bundesregierung ein preisbereinigter Rückgang um 6,3 Prozent erwartet.
Nach jetzigem Stand geht der Stabilitätsrat gemäß den Prognosen der Bundesregierung für 2020 von einem strukturellen gesamtstaatlichen Defizit von 5,25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. Dies könnte dem Beirat zufolge ohne Berücksichtigung von Konjunktureffekten eine unbereinigte Defizitquote von mehr als neun Prozent bedeuten, wenn die Kosten des Konjunkturpakets mit eingerechnet werden.
(S.A.Dudajev--DTZ)