Deutsche Tageszeitung - Likud-Mitglieder wählen zwischen Netanjahu und Herausforderer Saar

Likud-Mitglieder wählen zwischen Netanjahu und Herausforderer Saar


Likud-Mitglieder wählen zwischen Netanjahu und Herausforderer Saar
Likud-Mitglieder wählen zwischen Netanjahu und Herausforderer Saar / Foto: ©

Gut zwei Monate vor der Parlamentswahl in Israel haben die rund 116.000 Mitglieder der rechtsgerichteten Likud-Partei am Donnerstag über ihren künftigen Vorsitzenden abgestimmt. Der 53-jährige Ex-Minister Gideon Saar forderte den 70-jährigen Parteichef und geschäftsführenden Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu heraus, der wegen einer Korruptionsanklage unter Druck steht. Der Amtsinhaber ging als Favorit in das Rennen.

Textgröße ändern:

Netanjahu gab in Jerusalem seine Stimme ab, Saar bei Tel Aviv. Die Likud-Mitglieder konnten in mehr als hundert Wahllokalen bis 22.00 Uhr (MEZ) wählen, das Ergebnis der Abstimmung sollte am Freitagmorgen vorliegen. Die Wahlbeteiligung lag am Mittag erst bei 18 Prozent. Es wurde damit gerechnet, dass sie wegen des Winterwetters insgesamt eher niedrig ausfallen könnte.

"Es ist windig, es regnet, aber unser Geist ist stärker", sagte Netanjahu in einem in Online-Netzwerken verbreiteten Video. "Also gehen Sie mich wählen!" Saar sagte bei der Stimmabgabe, nun stehe ein "neuer Weg" offen, der es ermöglichen werde, eine "starke und stabile Regierung zu bilden".

Der in vielen Fragen rechts von Netanjahu stehende Knesset-Abgeordnete Saar gilt seit Jahren als wichtigster parteiinterner Widersacher des bisherigen Parteichefs. Der Sieger der Abstimmung wird Spitzenkandidat des Likud bei der vorgezogenen Neuwahl am 2. März - der dritten Parlamentswahl in Israel binnen Jahresfrist. Netanjahu war es nach den beiden vergangenen Parlamentswahlen im September und April nicht gelungen, eine neue Regierungsmehrheit zu schmieden.

Netanjahu könne durch die Abstimmung nur verlieren, sagte der Meinungsforscher Stephan Miller. Falls Saar mehr als ein Drittel der Stimmen erhalte, werde Netanjahu "deutlich geschwächt" aus dem Wahlgang hervorgehen. Es sei das erste Mal seit zehn Jahren, dass eine rechts von Netanjahu stehende Wählerschaft ausdrücklich darauf hinwirke, ihn "loszuwerden". Der langjährige Regierungschef steht seit 1993 mit einer Unterbrechung von sechs Jahren an der Spitze der Partei.

Saar bekleidete unter Netanjahu mehrere Ministerämter. Von September 2014 bis April 2017 legte er eine politische "Pause" ein und erweckte dadurch den Eindruck, er wolle sich zum Rivalen des Regierungschefs aufschwingen. In der Frage des politischen Umgangs mit den Palästinensern steht Saar rechts von Netanjahu. Insbesondere macht er sich für eine Annexion der Siedlungen im Westjordanland stark. Saar ist mit der bekannten Nachrichtenmoderatorin Geula Even verheiratet, sie haben zwei gemeinsame Kinder.

"Es braucht einen Wechsel, damit der Likud an der Macht bleiben kann", sagte Likud-Mitglied Jaron bei der Stimmabgabe in Jerusalem. Andere Wähler stärkten Netanjahu den Rücken. Nur mit dem 70-Jährigen an der Spitze habe der Likud bei der kommenden Parlamentswahl eine Chance auf den Sieg, sagte der 26-Jährige Nathan Moati.

Netanjahu ist der erste amtierende Regierungschef Israels, der unter Anklage steht. Ihm werden Betrug, Bestechlichkeit und Untreue vorgeworfen. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe bezeichnet der 70-Jährige als politisch motiviert. Als Regierungschef müsste er nach den geltenden Gesetzen nur zurücktreten, wenn alle Rechtsmittel gegen eine mögliche Verurteilung ausgeschöpft sind.

Netanjahu musste am Mittwochabend eine Wahlkampfveranstaltung in der Stadt Aschkalon unterbrechen, weil militante Palästinenser eine Rakete auf den Süden Israels abgeschossen hatten. Die israelische Luftwaffe nahm als Reaktion auf den Raketenangriff in der Nacht zum Donnerstag mehrere Stellungen der radikalislamischen Hamas unter Beschuss.

(U.Stolizkaya--DTZ)

Empfohlen

Frankreich: Mehr als 100.000 Menschen protestieren gegen rechtsgerichteten Premier

In Frankreich haben am Samstag nach Angaben des Innenministeriums mehr als 100.000 Menschen gegen die Ernennung des neuen rechtsgerichteten Premierministers Michel Barnier demonstriert. Allein in Paris waren es demnach 26.000. Aber auch in vielen anderen Städten wie Nantes, Nizza, Marseille und Straßburg gingen die Menschen gegen die Regierungsübernahme durch den 73-jährigen Konservativen auf die Straße. Die Wut der Demonstrierenden richtete sich auch gegen Präsident Emmanuel Macron.

Tausende in Israel demonstrieren erneut für Abkommen für Freilassung der Geiseln

Genau elf Monate nach dem beispiellosen Angriff der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas auf Israel sind dort erneut tausende Menschen für ein Abkommen über eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung aller Geiseln auf die Straße gegangen. Unter den Teilnehmern der Kundgebungen in Tel Aviv, Jerusalem und anderen Städten waren am Samstag auch Angehörige der immer noch im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln.

Niedrige Wahlbeteiligung: Präsidentschaftswahl in Algerien zu Ende gegangen

Nach einer einstündigen Verlängerung ist die Präsidentschaftwahl in Algerien am Samstag zu Ende gegangen. Statt wie geplant um 20.00 Uhr schlossen die Wahllokale in dem nordafrikanischen Land angesichts einer sehr niedrigen Wahlbeteiligung erst um 21.00 Uhr Ortszeit (22.00 Uhr MESZ).

Großdemo für "Freiheit" nach Sperrung des Onlinediensts X in Brasilien

Nach der Sperrung des Onlinedienstes X in Brasilien sind in dem südamerikanischen Land am Samstag tausende Demonstranten auf die Straße gegangen. Die Kundgebung in der Wirtschaftsmetropole São Paulo fand am brasilianischen Unabhängigkeitstag als Gegenveranstaltung zu einer offiziellen Parade in der Hauptstadt Brasília mit dem linksgerichteten Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva statt. Dessen rechtsextremer Amtsvorgänger Jair Bolsonaro unterstützte den Protestmarsch in São Paulo.

Textgröße ändern: