Deutsche Tageszeitung - Pistorius verlangt vom Bund Erlaubnis zur Aufnahme von Flüchtlingskindern

Pistorius verlangt vom Bund Erlaubnis zur Aufnahme von Flüchtlingskindern


Pistorius verlangt vom Bund Erlaubnis zur Aufnahme von Flüchtlingskindern
Pistorius verlangt vom Bund Erlaubnis zur Aufnahme von Flüchtlingskindern / Foto: ©

Politiker von SPD, Grünen und Linkspartei dringen darauf, aus humanitären Gründen unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus den überfüllten Lagern in Griechenland aufzunehmen. Dagegen lehnt die Bundesregierung einseitige Schritte ab und besteht auf einer europäischen Lösung. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn drängte die EU-Staaten in dieser Sache zum Handeln.

Textgröße ändern:

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) verlangte von der Bundesregierung die Erlaubnis für die Länder zur Aufnahme von Flüchtlingskindern. "Ich appelliere nun noch einmal dringend an den Bundesinnenminister, den willigen Bundesländern die Erlaubnis zur Aufnahme dieser jungen Geflüchteten zu geben. Wir dürfen ihrem Elend nicht länger tatenlos zusehen", sagte Pistorius dem Berliner "Tagesspiegel" vom Dienstag.

Der SPD-Politiker wies darauf hin, dass viele Minderjährige etwa in der Umgebung des Lagers Moria auf Lesbos der Gefahr von Missbrauch und Übergriffen ausgesetzt seien. "Wir müssen diese jungen Menschen so schnell wie möglich dort rausholen", verlangte der SPD-Politiker weiter. Es gehe um eine einmalige humanitäre Maßnahme, "die wir auch uns selbst und unseren Werten schuldig sind".

"Die Lage auf den griechischen Inseln erfordert sofortiges Handeln", erklärte der Leiter des katholischen Hilfswerks Caritas international, Oliver Müller. Die Situation in den Camps, die für 2500 Menschen gebaut, inzwischen aber mit mehr als 15.000 Flüchtlingen belegt seien, beschrieb Müller als "dramatisch". Die Caritas werde ihre Hilfe für die Betroffenen um weitere 50.000 Euro aufstocken, dies reiche angesichts des enormen Hilfebedarfs jedoch nicht aus.

Niedersachsen bot ebenso wie weitere Bundesländer die Aufnahme einiger der minderjährigen Flüchtlinge an. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) lehnt einen solchen Schritt jedoch ab. Die Bundesregierung müsste die Aufnahme von Flüchtlingen durch Bundesländer genehmigen. Am Wochenende hatte auch Grünen-Chef Robert Habeck zur Aufnahme von Flüchtlingskindern aus den griechischen Lagern in Deutschland aufgerufen. Die Linkspartei unterstützt diese Forderung ebenfalls.

Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) kritisierte Reaktionen von Unions- und FDP-Politikern auf den Vorstoß Habecks, in denen von einer "drohenden Masseneinwanderung" die Rede gewesen sei. Hier würden notleidende Minderjährige "wissentlich zum Spielball politischer Auseinandersetzung" gemacht. Die Zustände in den griechischen Lagern nannte Roth "eine europäische Schande".

Asselborn sagte dem Magazin "Der Spiegel" zur Debatte um die Flüchtlingskinder, ein "Alleingang einiger weniger Staaten" reiche hier nicht aus. Ohne eine Einigung auf EU-Ebene "kommen wir in dieser Frage nie grundsätzlich voran", mahnte der Außenminister. Auch er forderte aber, die Flüchtlinge nicht ihrem Schicksal zu überlassen.

Es gehe um die Aufnahme von höchstens 4000 Minderjährigen. Sollten alle EU-Mitgliedstaaten mitziehen, wäre deren Aufnahme "für niemanden ein Kraftakt", betonte Asselborn. Er wies darauf hin, dass mindestens drei Viertel der auf den griechischen Inseln festsitzenden Flüchtlinge Anspruch auf Asyl hätten.

Zugleich sprach sich Asselborn für ein härteres Vorgehen gegen EU-Staaten aus, die sich einer Zusammenarbeit verweigerten: "Wenn sich einzelne Mitgliedsländer in Fragen elementarer Menschlichkeit ausklinken, dann wird das stark negative Auswirkung auf den nächsten EU-Haushalt haben", sagte er.

(W.Novokshonov--DTZ)

Empfohlen

Frankreich: Mehr als 100.000 Menschen protestieren gegen rechtsgerichteten Premier

In Frankreich haben am Samstag nach Angaben des Innenministeriums mehr als 100.000 Menschen gegen die Ernennung des neuen rechtsgerichteten Premierministers Michel Barnier demonstriert. Allein in Paris waren es demnach 26.000. Aber auch in vielen anderen Städten wie Nantes, Nizza, Marseille und Straßburg gingen die Menschen gegen die Regierungsübernahme durch den 73-jährigen Konservativen auf die Straße. Die Wut der Demonstrierenden richtete sich auch gegen Präsident Emmanuel Macron.

Tausende in Israel demonstrieren erneut für Abkommen für Freilassung der Geiseln

Genau elf Monate nach dem beispiellosen Angriff der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas auf Israel sind dort erneut tausende Menschen für ein Abkommen über eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung aller Geiseln auf die Straße gegangen. Unter den Teilnehmern der Kundgebungen in Tel Aviv, Jerusalem und anderen Städten waren am Samstag auch Angehörige der immer noch im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln.

Niedrige Wahlbeteiligung: Präsidentschaftswahl in Algerien zu Ende gegangen

Nach einer einstündigen Verlängerung ist die Präsidentschaftwahl in Algerien am Samstag zu Ende gegangen. Statt wie geplant um 20.00 Uhr schlossen die Wahllokale in dem nordafrikanischen Land angesichts einer sehr niedrigen Wahlbeteiligung erst um 21.00 Uhr Ortszeit (22.00 Uhr MESZ).

Großdemo für "Freiheit" nach Sperrung des Onlinediensts X in Brasilien

Nach der Sperrung des Onlinedienstes X in Brasilien sind in dem südamerikanischen Land am Samstag tausende Demonstranten auf die Straße gegangen. Die Kundgebung in der Wirtschaftsmetropole São Paulo fand am brasilianischen Unabhängigkeitstag als Gegenveranstaltung zu einer offiziellen Parade in der Hauptstadt Brasília mit dem linksgerichteten Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva statt. Dessen rechtsextremer Amtsvorgänger Jair Bolsonaro unterstützte den Protestmarsch in São Paulo.

Textgröße ändern: