Massenproteste gegen das neue Einbürgerungsrecht in Indien
In Indien haben sich die Massenproteste gegen das neue Einbürgerungsrecht ausgeweitet. Nach schweren Zusammenstößen mit der Polizei an einer Universität in der Hauptstadt Neu Delhi gab es am Montag Solidaritätskundgebungen von Studenten in Chennai, Bangalore und Lucknow. In Kolkata folgten Tausende einem Demonstrationsaufruf der Regierungschefin von West-Bengalen, Mamata Banerjee. Der Oppositionspolitiker Rahul Gandhi warf der Regierung von Premierminister Narendra Modi vor, sich mit den Änderungen am Staatsbürgerschaftsrecht "faschistischer Waffen" zu bedienen.
Indien hat eine mehrheitlich hinduistische Bevölkerung von insgesamt 1,3 Milliarden Menschen, von denen rund 200 Millionen Muslime sind. Auslöser der Proteste ist ein vergangene Woche vom Oberhaus verabschiedetes Staatsbürgerschaftsgesetz. Es sieht für nicht-muslimische Einwanderer aus den indischen Nachbarstaaten Bangladesch, Pakistan und Afghanistan Vereinfachungen bei der Einbürgerung vor. Gegner des Gesetzes sehen dadurch die Neutralität des Staates in Glaubensfragen bedroht. Regierungschef Narendra Modi aber rechtfertigte die Änderung, weil Muslime in Bangladesch, Pakistan und Afghanistan keines Schutzes bedürften.
An der Universität Jamia Millia Islamia in Neu Delhi schlugen die Proteste am Sonntag in Gewalt um. Nach Angaben der Universitätsleitung wurden rund 200 Menschen verletzt, als die Sicherheitskräfte mit Tränengas und Schlagstöcken eingriffen. Die Polizei sprach von 39 verletzten Studenten und 30 verletzten Polizisten. Ein Polizeisprecher warf den Studenten vor, vier Busse, einhundert Privatfahrzeuge und zehn Polizeifahrräder beschädigt zu haben.
In Lucknow versuchten hunderte, offenbar mehrheitlich muslimische Demonstranten, eine Polizeistation zu stürmen, wie auf Fernsehbildern zu sehen war. Sie bewarfen Sicherheitskräfte mit Steinen, die sich hinter einer Mauer verschanzt hatten. In den vergangenen Tagen waren bei den Protesten sechs Menschen ums Leben gekommen.
Mehrere indische Bundesstaaten kündigten an, das neue Staatsbürgerschaftsrecht nicht anzuwenden, weil es gegen die laizistische Verfassung des Landes verstoße. Modi beschuldigte die Kongresspartei, die Unruhen anzustacheln.
Die Vereinten Nationen hatten in der vergangenen Woche Bedenken gegen das neue Gesetz geäußert. Menschenrechtsgruppen und mehrere islamische Parteien wollen die Neuregelung vor dem Obersten Gericht anfechten.
(P.Tomczyk--DTZ)