Nach Anwalt-Festnahme fordern Linke und Grüne Anerkennung türkischer Asylbewerber
Nach der Festnahme eines Vertrauensanwalts der deutschen Botschaft in Ankara sind in Deutschland Forderungen laut geworden, den betroffenen Asylbewerbern Schutz zu gewähren. Sensible Daten der Flüchtlinge könnten an den türkischen Geheimdienst MIT geraten sein, erklärte die Grünen-Migrationsexpertin Filiz Polat. Ihnen drohe Verfolgung durch die Türkei, betonte die innenpolitische Sprecherin der Linken, Ulla Jelpke.
Nach Angaben des Bundesinnenministeriums soll die mögliche Datenabschöpfung durch türkische Behörden "in jedem Einzelfall sorgfältig berücksichtigt" werden. Nach Angaben des Ministeriums und des Auswärtigen Amtes war der für die deutsche Botschaft in Ankara tätige Kooperationsanwalt bereits im September in Untersuchungshaft genommen worden.
"Es ist davon auszugehen, dass im Zuge der Verhaftung auch Unterlagen, die von ihm recherchierte Informationen zu Vorgängen von Personen in anhängigen Asylverfahren enthielten, in die Hände der türkischen Behörden gelangt sind", erklärte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums auf AFP-Anfrage.
Es habe eine asyl- wie datenschutzrechtlich ausgerichtete Prüfung des Vorgangs stattgefunden, die nun bei den Asylverfahren berücksichtigt werde, fügte der Sprecher hinzu. "Die Betroffenen wurden bereits oder werden zeitnah persönlich über die Situation informiert."
"Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) muss sofort alle betroffenen Geflüchteten anerkennen, denn spätestens jetzt droht ihnen mit Sicherheit eine Verfolgung in der Türkei", forderte Jelpke. Sie rief das Auswärtige Amt und das Bamf dazu auf, mit den Daten von Geflüchteten sensibler umzugehen.
"Die Betroffenen dürfen nicht nur mit warmen Worten des Bundesamtes für Verfassungsschutzes abgespeist werden, sondern brauchen einen sicheren Schutzstatus in Deutschland", forderte auch die Grünen-Politikerin Polat. Das Bamf müsse die bisherigen Ablehnungsbescheide umgehend abändern, da durch die Beschlagnahme der Akten weitere Gefährdungsaspekte für die Asylsuchenden entstanden seien. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen forderte die Anerkennung aller türkischen Asylbewerber in Deutschland.
Nach Angaben des Innenministeriums kann das Bamf bei Asylverfahren Informationsanfragen zu Antragstellern auch an die Auslandsvertretungen übermitteln. Diese können dabei auch auf die Unterstützung örtlicher Kooperationsanwälte zurückgreifen. "Dies stellt auch europaweit eine gängige Praxis dar", betonte der Sprecher.
Deutsche Medien hatten am Mittwoch gemeldet, dass der Jurist Yilmaz S. für das Bamf Angaben türkischer Asylbewerber überprüfte. Es wird befürchtet, dass durch seine Festnahme die Akten von 200 Asylbewerbern in die Hände der türkischen Behörden geraten sind.
In den vergangenen Jahren haben tausende Türken in Deutschland Asyl beantragt. Unter ihnen sind viele kurdische Oppositionelle und Anhänger der islamischen Gülen-Bewegung, die Ankara für den gescheiterten Militärputsch von Juli 2016 verantwortlich macht. Die Regierung in Ankara wirft der Bundesregierung schon lange vor, Putschisten Zuflucht zu gewähren.
Der Sprecher der Gülen-Bewegung in Deutschland beklagte, die türkische Regierung versuche die Gülen-Anhänger auch im Ausland einzuschüchtern. Die Festnahme des Anwalts sende die Botschaft: "Egal, wo ihr seid, wir verfolgen und finden euch überall in der Welt", sagte Ercan Karakoyun der "Bild"-Zeitung. Seinen Angaben zufolge haben knapp 20.000 Anhänger der umstrittenen Bruderschaft seit dem Putschversuch in Deutschland Zuflucht gesucht.
(U.Stolizkaya--DTZ)