US-Armee zieht Truppen aus Nordsyrien zurück
Angesichts einer offenbar unmittelbar bevorstehenden türkischen Militäroffensive haben die US-Streitkräfte nach Angaben von Aktivisten mit dem Abzug ihrer Truppen von der syrisch-türkischen Grenze begonnen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte am Montag, die Offensive auf die von den Kurden in Nordsyrien kontrollierte Region könne jederzeit beginnen. Die USA kündigten an, sich in keiner Form an dem Einsatz zu beteiligen.
Am Montagmorgen verließen die US-Truppen bereits ihre Schlüsselstellungen in Ras al-Ain und Tal Abjad, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte und das von den Kurden geführte Bündnis Syrische Demokratische Kräfte (SDF) mitteilten. Wenige Stunden zuvor hatte das Weiße Haus den Abzug der US-Soldaten angekündigt und erklärt, die US-Armee werde den bevorstehenden türkischen Militäreinsatz in Nordsyrien "weder unterstützen noch darin involviert sein".
Die erwartete Militäroffensive der Türkei zur Schaffung einer "Sicherheitszone" jenseits der türkischen Grenze in Nordsyrien richtet sich gegen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG). Bislang war die US-Armee im Kampf gegen Dschihadisten mit den YPG verbündet und unterstützte die Miliz jahrelang mit Waffen und Spezialkräften.
US-Präsident Trump hatte in einer umstrittenen Erklärung bereits im Dezember 2018 den Abzug der US-Truppen aus Syrien angekündigt. Wenige Monate später erklärte er jedoch, die USA blieben mit rund 400 Soldaten "bis auf weiteres" in Syrien stationiert.
Nach einer Einigung mit Ankara auf die Schaffung der Sicherheitszone an der türkisch-syrischen Grenze Anfang August hatten die USA noch betont, die Kurden weiter mit Waffen und Fahrzeugen auszustatten. Einen "einseitigen" türkischen Einmarsch in Syrien hatte Washington als "inakzeptabel" bezeichnet.
Erdogan sagte am Montagvormittag, die türkische Armee könne "jede Nacht ohne Warnung" mit ihrer Offensive beginnen. "Es steht völlig außer Frage, dass wir die Bedrohungen durch diese terroristischen Gruppen nicht weiter tolerieren können", sagte der türkische Präsident mit Blick auf die YPG.
Ankara stuft die YPG-Miliz wegen ihrer Nähe zur verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) als "Terrororganisation" ein und droht schon seit Monaten mit einem Militäreinsatz. Zuletzt schickte die türkische Armee zusätzliche Militärkonvois an die syrische Grenze.
Das von den Kurden geführte Bündnis SDF warnte vor einem Wiederaufleben der Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) durch die Militäroffensive. Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin wies dies zurück: Die Türkei werde nicht zulassen, dass der IS "in irgendeiner Art und Weise" zurückkehre, schrieb Kalin im Kurzbotschaftendienst Twitter.
Stattdessen verfolge Ankara mit der angestrebten "Sicherheitszone" das Ziel, die türkische Grenze zu sichern, "indem terroristische Elemente eliminiert" würden. Zudem werde die Zone es syrischen Flüchtlingen "erlauben, in ihre Heimat zurückzukehren", erklärte Kalin. In der Türkei leben derzeit mehr als 3,6 Millionen syrische Flüchtlinge.
Die Türkei habe "kein Interesse an einer Besetzung" oder daran, demografische Realitäten zu verändern, fügte Kalin hinzu. Auch der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu betonte, die Türkei habe immer die "territoriale Integrität" Syriens unterstützt und werde dies weiterhin tun. "Wir werden dazu beitragen, Ruhe, Frieden und Stabilität in die Region zu bringen", schrieb Cavusoglu bei Twitter.
Das SDF-Bündnis warnte auch vor den Auswirkungen einer Militäroffensive auf kurdische Gefängnisse und von Kurden verwaltete Camps für ehemalige IS-Kämpfer und deren Familien. International ist umstritten, wer für die ausländischen IS-Kämpfer und ihre Familien zuständig ist.
In seiner Mitteilung zum Truppenrückzug kritisierte das Weiße Haus, dass "Frankreich, Deutschland und andere europäische Nationen" ihre in Nordsyrien inhaftierten Staatsangehörigen, die sich dem IS angeschlossen hatten, nicht zurückholten. Deshalb werde künftig die Türkei für alle IS-Kämpfer in der Region verantwortlich sein, die in den vergangenen zwei Jahren festgenommen wurden.
(I.Beryonev--DTZ)