Zahl der Todesopfer bei gewaltsamen Protesten im Irak auf 28 gestiegen
Trotz der Verhängung einer Ausgangssperre in mehreren Städten halten die gewaltsamen Proteste im Irak an: Bei neuen Zusammenstößen im Süden des Landes wurden am Donnerstag weitere Demonstranten erschossen, so dass die Zahl der Opfer seit Dienstag auf mindestens 28 stieg. Die Proteste richten sich gegen die verbreitete Korruption, die chronischen Stromausfälle und die hohe Arbeitslosigkeit.
Die Demonstrationen fordern die Regierung von Adel Abdel Mahdi heraus, der vor knapp einem Jahr ins Amt kam. Anders als frühere Proteste scheinen sie spontan zu sein, ohne dass eine Partei dahintersteht. Am Mittwoch rief allerdings der radikale Prediger Moktada al-Sadr zu einem "Generalstreik" und "friedlichen Sitzblockaden" auf. Er hatte bereits 2016 eine breite Protestbewegung in Bagdad mobilisiert.
Die Sicherheitskräfte setzen seit Dienstag Tränengas, Wasserwerfer und scharfe Munition ein, um die Demonstranten zu vertreiben. Landesweit wurden mindestens 26 Demonstranten und zwei Polizisten getötet. Zudem wurden mehr als tausend Menschen verletzt.
Die Behörden verhängten in der Nacht eine Ausgangssperre für Bagdad und mehrere Städte im mehrheitlich schiitischen Südirak. Der sunnitische Norden ist bisher nicht von den Protesten erfasst. In weiten Teilen des Landes ist das Internet unterbrochen, über das die Aufrufe zu den Protesten verbreitet worden waren. Der Ausfall des Internets erschwerte den Demonstranten die Koordination und den Austausch von Informationen.
In der Hauptstadt Bagdad feuerte die Polizei in die Luft, um dutzende Demonstranten auf dem zentralen Tahrir-Platz zu vertreiben, wie ein AFP-Reporter berichtete. "Wir haben hier geschlafen, damit die Polizei den Platz nicht einnimmt", sagte ein Demonstrant, bevor er von der Polizei in eine Seitenstraße abgedrängt wurde. "Wir werden weitermachen, bis die Regierung stürzt", sagte ein anderer Demonstrant.
Vor dem Morgengrauen gab es laut Sicherheitskräften zwei Explosionen in der Grünen Zone in Bagdad, wo viele Ministerien und Botschaften liegen. Die Grüne Zone war erst vergangene Woche von zwei Raketen getroffen worden. Anhänger von Moktada al-Sadr hatten sie 2016 bei Protesten besetzt. Die Polizei riegelte das Gebiet, das im Juni nach 15 Jahren wieder für die Bevölkerung geöffnet worden war, am Mittwoch komplett ab.
Die UN-Sondergesandte für den Irak, Jeanine Hennis-Plasschaert, traf einige der Demonstranten und rief anschließend zu einem "direkten Dialog" mit der Regierung auf. "Die Fähigkeit, das Demonstrationsrecht zu bewahren, ist ein Zeichen politischer und demokratischer Reife", sagte sie. Der Einsatz von Gewalt schüre nur die Wut. "Es braucht dringend Deeskalation."
Auch die EU rief zu Zurückhaltung auf. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International beklagte den brutalen Einsatz der Polizei, die von Militärfahrzeugen aus mit automatischen Waffen auf Demonstranten schoss.
Bereits im Sommer vergangenen Jahres hatte es in der südirakischen Großstadt Basra heftige Proteste gegen Korruption und Misswirtschaft gegeben. Viele Teile des Landes haben nur wenige Stunden Strom am Tag und vielerorts ist das Wasser knapp. Jeder vierte Jugendliche ist arbeitslos, während riesige Summen durch Korruption versickern. Seit der US-Invasion 2003 sollen 410 Milliarden Euro veruntreut worden sein.
(M.Dylatov--DTZ)