Kabinett beschließt Einführung einer Statistik zu Wohnungslosigkeit
Die Zahl der wohnungslosen Menschen in Deutschland soll erstmals bundesweit in einer Statistik erfasst werden. Das Bundeskabinett verabschiedete am Mittwoch in Berlin einen entsprechenden Gesetzentwurf des Bundesarbeitsministeriums. Wohnungslosigkeit sei "eine besonders schwere Form von Armut und sozialer Ausgrenzung", hob das SPD-geführte Ministerium hervor. Bislang lägen aber zu wenig verlässliche Daten darüber vor, auf deren Grundlage die Wohnungslosigkeit effektiv bekämpft werden könnte.
Schätzungen und Landesstatistiken zur Wohnungslosigkeit gingen sehr weit auseinander, erklärte das Ministerium. Der Gesetzesentwurf zielt nun darauf ab, diese Lücke zu schließen. Auf Grundlage der verbreiterten Wissensbasis sollten dann sozialpolitische Maßnahmen entwickelt werden, kündigte das Arbeitsministerium an.
Das Gesetz sieht die Einführung einer Wohnungslosenberichterstattung sowie einer Statistik zu untergebrachten wohnungslosen Menschen vor. Damit wird nach Ministeriumsangaben erstmals eine bundesweite Datengrundlage zum Ausmaß sowie zur Struktur von Wohnungslosigkeit in Deutschland geschaffen.
Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass das Statistische Bundesamt jeweils zum Stichtag 31. Januar die Zahl untergebrachter wohnungsloser Menschen erfasst - also Wohnungslose, die Leistungen zur Unterbringung in Anspruch nehmen.
Dabei sollen Angaben zu Geschlecht, Alter, Staatsangehörigkeit, Haushaltstyp und -größe, Art der Unterkunft sowie das Datum des Beginns der Unterbringung erhoben werden. Erstmals ist die neue Bundesstatistik zum 31. Januar 2022 geplant.
Mit der Wohnungslosenberichterstattung soll eine zusätzliche Datengrundlage über jene Formen von Wohnungslosigkeit zur Verfügung stehen, die über die statistische Erhebung hinausgehen. Hierbei handelt es sich den Ministeriumsangaben zufolge etwa um Wohnungslose, die kurzzeitig bei Bekannten unterkommen oder auch um obdachlose Menschen, die ohne jeden Schutz auf der Straße leben.
An dem Bericht, der mindestens alle zwei Jahre vorgelegt werden soll, werden auch Wissenschaftler und Fachverbände beteiligt.
Der Armutsexperte der Grünen-Fraktion, Wolfgang Strengmann-Kuhn, nannte die Einführung der Wohnungslosenstatistik einen "ersten Schritt". Es sei jedoch "unerlässlich, weiter zu gehen", sagte Strengmann-Kuhn der Nachrichtenagentur AFP.
"Der Bund muss gemeinsam mit den Ländern und Kommunen einen gemeinsamen Aktionsplan erarbeiten, der sich dem ambitionierten Plan verschreibt, die Obdachlosigkeit bis 2030 komplett zu beseitigen", forderte der Grünen-Abgeordnete.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe schätzte die Zahl der Wohnungslosen in einer 2017 vorgelegten Studie bundesweit auf 860.000. Ganz auf der Straße ohne jegliche Unterkunft lebten demnach etwa 52.000 Menschen. Wegen der rasch steigenden Wohnkosten sagte die Arbeitsgemeinschaft einen starken Anstieg der Betroffenenzahl voraus.
(S.A.Dudajev--DTZ)