Juncker zeigt sich bei Brexit-Treffen mit Johnson "vorsichtig optimistisch"
Der britische Premierminister Boris Johnson ist mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zu Gesprächen über die festgefahrenen Brexit-Verhandlungen zusammengekommen. Johnson sagte am Montag in Luxemburg zu seinen Erwartungen an das Treffen, er sei "vorsichtig". Juncker zeigte sich "vorsichtig optimistisch". Für Österreichs Regierung ist das Treffen die letzte Chance, um vor dem Brexit Ende Oktober in wirkliche Verhandlungen mit London einzusteigen. Sonst drohe ein chaotischer Austritt ohne Abkommen.
An dem Treffen in Luxemburg nahmen auch EU-Brexit-Verhandlungsführer Michel Barnier und der britische Brexit-Minister Stephen Barclay teil. Geplant war ein Arbeitsessen in einem Restaurant. Trotz der vollkommen festgefahrenen Situation nur gut sechs Wochen vor dem Brexit-Termin sagte Juncker, Europa verliere "nie die Geduld".
Die finnische EU-Ratspräsidentschaft erklärte, die Mitgliedstaaten seien weiter grundsätzlich zu Verhandlungen bereit. Dazu müsse London aber "einen richtigen Vorschlag" vorlegen, sagte die finnische Europaministerin Tytti Tuppurainen in Brüssel, deren Land derzeit den EU-Vorsitz innehat. Bisher habe sie aber keinen Plan Londons gesehen, der die umstrittene Auffanglösung für Nordirland ersetzen könnte.
Johnson bekräftigte vor dem Treffen seine Absicht, Großbritannien notfalls ohne Abkommen am 31. Oktober aus der EU zu führen. Wenn es Fortschritte in den kommenden Tagen gebe, wolle er am EU-Gipfel am 17. Oktober teilnehmen "und eine Vereinbarung abschließend aushandeln", sagte er dem "Daily Telegraph" (Montagsausgabe). "Aber seien Sie versichert, wenn wir keinen Deal bekommen (...) dann wird Großbritannien trotzdem austreten."
Am Wochenende hatte der Premier Großbritannien beim Brexit mit dem Superhelden Hulk verglichen. "Je wütender Hulk wird, desto stärker wird Hulk", sagte er. "Und er ist immer davon gekommen, ganz gleich, wie eng es für ihn aussah - und das trifft auf dieses Land zu".
Das britische Unterhaus hatte ein von Johnsons Vorgängerin Theresa May mit der EU ausgehandeltes Abkommen mehrfach abgelehnt und zuletzt der Regierung auferlegt, den Austritt erneut auf Ende Januar zu verschieben, falls es keine Einigung auf ein neues Abkommen mit der EU gibt. Johnson lehnt eine neuerliche Verschiebung des Brexit jedoch ab.
Juncker hatte Johnson am Wochenende vorgeworfen, keine alternativen Vorschläge für die umstrittene Auffanglösung für Nordirland vorgelegt zu haben. Sie soll verhindern, dass Grenzkontrollen zwischen der britischen Provinz und dem EU-Mitglied Irland nach dem Brexit eingeführt werden. Mit Johnsons Vorgängerin May wurde deshalb vereinbart, dass Großbritannien notfalls insgesamt in einer Zollunion mit der EU bleibt. Dies lehnen aber die Brexit-Hardliner ab.
Wenn Johnson in Luxemburg nicht "mit etwas Neuem im Gespräch" komme, "dann ehrlich gesagt gibt es auf unserer Seite keinen Bedarf mehr" für Verhandlungen, sagte Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg in Brüssel. "Dann wird es einen ’Hard Brexit’ geben." Gemeint ist damit ein Austritt Großbritanniens aus der EU ohne Abkommen mit der Gemeinschaft.
Im Falle eines No-Deal-Brexit werden dramatische Auswirkungen erwartet. Diese reichen von Staus an den britischen Häfen wegen wiedereinführter Zollkontrollen bis zu Lebensmittel- und Medikamenten-Engpässen in Großbritannien.
(A.Nikiforov--DTZ)