Hohe Zustimmung zu Kita-Pflicht und Maßnahmen für mehr Bildungsgerechtigkeit
Maßnahmen für gleiche Chancen in der Bildung finden große Zustimmung in der Bevölkerung. 78 Prozent fänden eine staatliche Übernahme der Kita-Gebühren sinnvoll, 67 Prozent eine Kindergartenpflicht, wie das am Mittwoch veröffentlichte Ifo-Bildungsbarometer ergab. 61 Prozent waren für eine spätere Aufteilung auf weiterführende Schulen als bisher üblich. Vor allem das Thema Kita-Pflicht rief kontroverse Reaktionen aus den Parteien hervor.
83 Prozent sprachen sich laut Ifo-Institut dafür aus, Stipendienprogramme für einkommensschwache Studenten auszubauen. Auch andere Vorschläge für mehr Chancengleichheit im Bildungsbereich finden teils breite Unterstützung. In Schulen mit Schülern aus benachteiligten Verhältnissen sollten mehr staatliche Mittel fließen, meinten 81 Prozent.
64 Prozent befürworteten höhere Gehälter für Lehrer, die viele Kinder aus benachteiligten Verhältnissen unterrichten. Für ein allgemeines Ganztagsschulsystem sprachen sich 56 Prozent der Umfrageteilnehmer aus. Ein gespaltenes Bild ergab sich beim gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Lernschwächen: 44 Prozent waren dafür und 41 Prozent dagegen.
Den Angaben zufolge fänden allerdings auch viele Bürger ein Verteilen staatlicher Mittel nach dem Gießkannen-Prinzip gut. Je nach abgefragtem Bildungsbereich von Kita bis Uni waren 66 bis 76 Prozent dafür. Für den Ifo-"Bildungsmonitor" waren den Angaben zufolge 4000 Menschen befragt worden.
"Trotz der hohen Zustimmungsraten für Maßnahmen gegen Ungleichheit spricht sich die Mehrheit der Deutschen dafür aus, zusätzliche Mittel gleichmäßig wie mit der Gießkanne zu verteilen, statt sie gezielt für benachteiligte Gruppen zu verwenden. "Dies kann möglicherweise den Kampf gegen die Bildungsungleichheit erschweren", erklärte Philipp Lergetporer vom Ifo-Zentrum für Bildungsökonomik.
Zudem denken der Erhebung zufolge 85 Prozent der Befragten, dass ein hoher Bildungsabschluss eher von eigener Anstrengung als von äußeren Umständen abhängt. Gleichwohl halten 60 Prozent die Ungleichheit zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund für ein ernsthaftes oder sehr ernsthaftes Problem.
Der familienpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Marcus Weinberg (CDU), sagte der Zeitung "Welt": "Von einem Kita-Zwang für alle Kinder halte ich nichts." Es seien die individuellen Lebensmodelle der Familien zu respektieren, "grundsätzlich auch die Entscheidung, sich bis zum Schuleintrittsalter um die Betreuung ihrer Kinder selbst zu kümmern." Der AfD-Bildungspolitiker Götz Frömming sagte: "Die Einführung einer Kindergartenpflicht für über Vierjährige ist so überflüssig wie ein Kropf."
Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Oliver Kaczmarek, verwies auf das "Gute-Kita-Gesetz" von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD), das Milliardenzuschüsse für die Verbesserung der Kita-Qualität vorsieht. Sollten sich dennoch "Eltern gegen einen Kita-Besuch entscheiden und die Leistungsunterschiede zwischen den Kindern mit und ohne Kita-Besuch bestehen bleiben, müssten wir über weitere Schritte nachdenken und dürften dabei eine Kita-Pflicht nicht ausschließen".
Die Grünen-Bildungspolitikerin Margit Stumpp forderte, jedem Kind das Recht auf eine Ganztagsbetreuung im Grundschul- und Kitaalltag zu ermöglichen. "Bevor über eine Kitapflicht nachgedacht wird, müssen die jetzt schon fehlenden Plätze geschaffen und in die Qualität investiert werden", erklärte Stumpp.
Der Bund will nach den Worten von Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) dem Ziel, "mehr Chancengerechtigkeit in der Bildung zu erreichen, in den nächsten Jahren näher kommen". Demnächst starte eine neue Initiative, um Schulen in sozial schwierigen Lagen besser zu fördern, erklärte Karliczek.
(I.Beryonev--DTZ)