Gescheiterter Staat - 45 Millionen Ukrainer wählen neues Parlament
Zwei Monate nach dem Amtsantritt von Präsident Wolodymyr Selenskyj wählt die Ukraine am Sonntag ein neues Parlament. Umfragen zufolge liegt Selenskyjs neu gegründete Partei Diener des Volkes klar vorn. An zweiter Stelle lag zuletzt mit bis zu 14 Prozent die Russland-freundliche Oppositionsplattform - Für Leben. Chancen auf einen Einzug ins Parlament hat auch die neu gegründete Partei Golos von Rockstar Swjatoslaw Wakartschuk. Sie lag in Umfragen bei vier bis sieben Prozent Zustimmung.
Es wird damit gerechnet, dass Selenskyjs Partei nicht die absolute Mehrheit der Sitze erreicht und auf einen Koalitionspartner angewiesen ist. Selenskyj hatte angekündigt, nach den Wahlen eine "neue Regierung aus Fachmännern und Technokraten" zu bilden.
Von den 424 Parlamentssitzen werden 225 über Parteilisten vergeben, der Rest der Volksvertreter zieht per Direktwahl ins Parlament in Kiew ein. Experten gehen davon aus, dass 50 bis 70 Prozent der neu gewählten Abgeordneten Neulinge im Parlament sind. Die beiden neuen Parteien Diener des Volkes und Golos haben keine Kandidaten auf ihren Listen zugelassen, die schon einmal im Parlament saßen. Zu ihren Kandidaten zählen Geschäftsleute, Sportler und Aktivisten - das Durchschnittsalter liegt bei 37 Jahren. Selenskyj hatte auch an einfache Bürger appelliert, sich von seiner Partei aufstellen zu lassen.
Selenskyj hatte Mitte April die Stichwahl um das ukrainische Präsidentenamt gegen Amtsinhaber Petro Poroschenko klar gewonnen. Unmittelbar nach seinem Amtsantritt im Mai kündigte er an, das Parlament aufzulösen, um den Weg für vorgezogene Neuwahlen vor dem ursprünglich für Oktober geplanten Wahltermin frei zu machen. Mit der Parlamentswahl will er seine Macht festigen. Bisher verfügt er im Parlament über keine eigene Mehrheit.
Zentrale politische Probleme der Ukraine sind weiterhin der Konflikt mit prorussischen Separatisten im Osten des Landes und die weit verbreitete Korruption. (M.Dylatov--DTZ)