Deutsche Tageszeitung - Zahl der Kirchenaustritte in Deutschland sprunghaft gestiegen

Zahl der Kirchenaustritte in Deutschland sprunghaft gestiegen


Zahl der Kirchenaustritte in Deutschland sprunghaft gestiegen
Zahl der Kirchenaustritte in Deutschland sprunghaft gestiegen / Foto: ©

Die Zahl der Kirchenaustritte in Deutschland ist im vergangenen Jahr sprunghaft gestiegen. In der katholischen Kirche blieb die Zahl nach der am Freitag veröffentlichten Statistik mit 216.000 Austritten nur knapp unter dem historischen Negativrekord. Die Bischofskonferenz brachte den Anstieg mit dem Missbrauchsskandal in Zusammenhang. Obwohl die evangelische Kirche davon nicht in dem Maß betroffen war, traten dort noch mehr Menschen aus.

Textgröße ändern:

Insgesamt traten aus der evangelischen Kirche rund 220.000 Menschen aus, 11,6 Prozent oder etwa 20.000 mehr als im Jahr 2017. Aus der katholischen Kirche traten 216.000 Menschen aus, fast 50.000 mehr als 2017, womit die Zahl der Austritte um 29 Prozent stieg. Nur im Jahr 2014 hatte die Zahl mit 217.716 noch höher gelegen.

Beim Kirchenaustritt müssen keine Angaben zu den Gründen gemacht werden. Allerdings stand gerade die katholische Kirche in Deutschland im vergangenen Jahr wieder deutlich wegen ihres Missbrauchsskandals in der Kritik. Eine von der Deutschen Bischofskonferenz veröffentlichte Studie hatte massive Missstände auch bei der Aufarbeitung des seit Jahren bestehenden Skandals offenbart.

Der Sekretär der Bischofskonferenz, Pater Hans Langendörfer, nannte die aktuelle Statistik "besorgniserregend". Es gebe nichts zu beschönigen. "Wir verstehen, wenn durch Entfremdungsprozesse oder einen großen Vertrauensverlust Misstrauen entstanden ist und Glaubwürdigkeit verspielt wurde." Langendörfer verwies darauf, dass die Kirche mit dem sogenannten synodalen Weg das im Missbrauchsskandal verlorene Vertrauen wieder zurückgewinnen will.

"Jeder Austritt schmerzt", erklärte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. Anders als früher entschieden die Menschen heute frei, ob sie der Kirche angehören wollten - deshalb müsse diese noch deutlicher machen, dass die christliche Botschaft eine starke Lebensgrundlage sei.

In den Gemeinden der beiden großen christlichen Kirchen sorgt derzeit eine bereits vor Wochen veröffentlichte Langfristprognose der beiden Kirchen für Aufregung, die bis 2060 ein weiteres erhebliches Schrumpfen der Mitgliederzahlen prognostiziert. Als Konsequenz wird in den Kirche auch darüber diskutiert, wie die Finanzierung der bisherigen kirchlichen Aktivitäten und der Unterhalt der Gebäude gelingen kann.

Insgesamt verringerte sich die Zahl der in den beiden großen Kirchen registrierten Christen. Die katholische Kirche zählt nun noch 23,002 Millionen Mitglieder, über 300.000 weniger als im Jahr 2017. Die Zahl der Protestanten verringerte sich um 1,8 Prozent auf 21,14 Millionen.

Katholische Laien forderten ihre Bistümer auf, als Konsequenz aus der Statistik Reformen anzugehen. Der Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Stefan Vesper, erklärte, die Zahlen müssten Ansporn sein, den Reformprozess "mutig und entschlossen voranzugehen".

Die gegenüber der Amtskirche kritische Bewegung Wir sind Kirche erklärte, der synodale Weg müsse erst noch beweisen, dass grundlegende Reformen möglich seien. Außerdem hätten alle bisherigen wohlklingenden Ankündigungen zur Neugestaltung der Gemeinden keine Wirkung gezeigt, dies zeige sich an den "erschütternd" gesunkenen Zahlen der Gottesdienstteilnehmer. Demnach gehen im Schnitt nur noch 9,3 Prozent der Katholiken zum Sonntagsgottesdienst, nach 9,8 Prozent vor einem Jahr und 10,2 Prozent im Jahr 2016.

(V.Sørensen--DTZ)

Empfohlen

Frankreich: Mehr als 100.000 Menschen protestieren gegen rechtsgerichteten Premier

In Frankreich haben am Samstag nach Angaben des Innenministeriums mehr als 100.000 Menschen gegen die Ernennung des neuen rechtsgerichteten Premierministers Michel Barnier demonstriert. Allein in Paris waren es demnach 26.000. Aber auch in vielen anderen Städten wie Nantes, Nizza, Marseille und Straßburg gingen die Menschen gegen die Regierungsübernahme durch den 73-jährigen Konservativen auf die Straße. Die Wut der Demonstrierenden richtete sich auch gegen Präsident Emmanuel Macron.

Tausende in Israel demonstrieren erneut für Abkommen für Freilassung der Geiseln

Genau elf Monate nach dem beispiellosen Angriff der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas auf Israel sind dort erneut tausende Menschen für ein Abkommen über eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung aller Geiseln auf die Straße gegangen. Unter den Teilnehmern der Kundgebungen in Tel Aviv, Jerusalem und anderen Städten waren am Samstag auch Angehörige der immer noch im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln.

Niedrige Wahlbeteiligung: Präsidentschaftswahl in Algerien zu Ende gegangen

Nach einer einstündigen Verlängerung ist die Präsidentschaftwahl in Algerien am Samstag zu Ende gegangen. Statt wie geplant um 20.00 Uhr schlossen die Wahllokale in dem nordafrikanischen Land angesichts einer sehr niedrigen Wahlbeteiligung erst um 21.00 Uhr Ortszeit (22.00 Uhr MESZ).

Großdemo für "Freiheit" nach Sperrung des Onlinediensts X in Brasilien

Nach der Sperrung des Onlinedienstes X in Brasilien sind in dem südamerikanischen Land am Samstag tausende Demonstranten auf die Straße gegangen. Die Kundgebung in der Wirtschaftsmetropole São Paulo fand am brasilianischen Unabhängigkeitstag als Gegenveranstaltung zu einer offiziellen Parade in der Hauptstadt Brasília mit dem linksgerichteten Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva statt. Dessen rechtsextremer Amtsvorgänger Jair Bolsonaro unterstützte den Protestmarsch in São Paulo.

Textgröße ändern: