EU-Kommission lässt Rom im Schuldenstreit vom Haken
Im Schuldenstreit mit Italien hat die EU-Kommission auf die Einleitung eines Strafverfahrens verzichtet. Nach jüngsten Zusagen Roms zur Verringerung seiner Neuverschuldung sei ein Defizitverfahren "zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gerechtfertigt", erklärte EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici am Mittwoch in Brüssel. Die EU-Kommission werde aber die Umsetzung der Haushaltszusagen Roms weiter "sehr genau überwachen" und behalte sich bei Verstößen die Einleitung eines Strafverfahrens weiterhin vor.
Italien ist nach dem langjährigen Krisenstaat Griechenland das am höchsten verschuldete EU-Mitglied. Die EU-Kommission hatte wegen der weiter deutlich steigenden Neuverschuldung Anfang Juni den Weg für ein Defizitverfahren gegen Italien geebnet. An seinem Ende hätten Geldbußen in Milliardenhöhe stehen können.
In Rom regiert seit Juni vergangenen Jahres eine Koalition aus der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung und der einwanderungsfeindlichen und rechtspopulistischen Lega-Partei. Sie hat im Wahlkampf eine Abkehr vom Sparkurs mit höheren Sozialausgaben und der Senkung von Steuern versprochen.
Dennoch sollte das Defizit nach einer Absprache mit Brüssel in diesem Jahr nicht über 2,04 Prozent steigen. Angesichts der sich verschlechternden Wirtschaftslage kündigte Rom dann aber im März eine Neuverschuldung von 2,4 Prozent an, woraufhin Brüssel mit dem Defizitverfahren drohte.
Moscovici verwies darauf hin, dass die Kommission klare Bedingungen gestellte hatte, um das Strafverfahren noch abzuwenden. Demnach liefen auch am Rande des G-20-Gipfels in Japan am Wochenende mit Finanzminister Giovanni Tria intensive Verhandlungen. Dieser Dialog habe nun "Früchte getragen", sagte der französische EU-Kommissar.
Ministerpräsident Giuseppe Conte hatte am Dienstag angekündigt, dass das italienische Haushaltsdefizit in diesem Jahr 2,04 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) doch nicht überschreiten werde. Konkret werde Rom seine Ausgaben um 7,6 Millliarden Euro verringern - teils über zusätzliche Einnahmen, teils über das Einfrieren von Haushaltsposten.
Mit Blick auf das Jahr 2020 habe die Kommission darauf bestanden, dass das Defizit nicht wie geplant auf 3,5 Prozent steige. Dem Verzicht auf das Verfahren müssen nun noch die EU-Finanzminister zustimmen. Er sei "sehr zuversichtlich", dass diese den Empfehlungen seiner Behörde folgen würden, sagte Moscovici.
Kritik am Einlenken der Kommission kam aus dem EU-Parlament. "Die italienische Regierung hat es einmal mehr geschafft, der Kommission Sand in die Augen zu streuen", kritisierte der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber. "Die kosmetischen Änderungen an den Haushaltsentwürfen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Gesamtverschuldung jedes Jahr weiterwächst und das Defizit inakzeptabel hoch ist."
Moscovici sagte, die Kommission werde die Lage im zweiten Halbjahr erneut überprüfen. Sollten Zusagen nicht eingehalten werden, könne erneut ein Defizitverfahren eingeleitet werden.
Der Kommissar wies gleichzeitig den Verdacht zurück, dass die Entscheidung seiner Behörde etwas mit der Zustimmung Italiens zu den Vereinbarungen über die Vergabe europäischer Spitzenjobs beim EU-Gipfel diese Woche zu tun habe. Dies sei "absolut irrelevant" bei der Entscheidung zum Defizitverfahren gewesen, sagte er. "Es gibt keinerlei Verbindung."
(M.Dylatov--DTZ)