EU-Gipfel zu Juncker-Nachfolge nach nächtlicher Marathonsitzung fortgesetzt
Trotz einer nächtlichen Marathonsitzung haben die EU-Staats- und Regierungschefs noch keine Lösung für die Nachfolge von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gefunden. Die am Sonntagabend begonnene Sitzung dauerte am Montagvormittag an. Diskutiert wurde weiter eine mögliche Übernahme des Spitzenpostens durch den niederländischen Sozialdemokraten Frans Timmermans. Dazu muss aber ein Paket aus mehreren Personalien geschnürt werden. Ein neuer Vorschlag wurde am Vormittag diskutiert.
Auf die Juncker-Nachfolge hatte ursprünglich der konservative Spitzenkandidat Manfred Weber (CSU) Anspruch erhoben, dessen Europäische Volkspartei (EVP) bei der EU-Wahl im Mai erneut stärkste Kraft geworden war. Er hatte aber bei einem Gipfel vor zehn Tagen keine ausreichende Unterstützung erhalten.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einigte sich daraufhin beim G20-Gipfel mit Frankreich, Spanien und den Niederlanden darauf, den Sozialdemokraten Timmermans als Kommissionschef vorzuschlagen. Weber sollte als Ausgleich Parlamentspräsident werden und die Liberalen den EU-Ratspräsidenten stellen.
Die Absprache stieß bei der EVP jedoch auf teils empörte Kritik, weil die Konservativen dann trotz des Sieges bei der Europawahl weder den wichtigen Rats- noch den Kommissionsposten bekommen würden. EVP-Vertreter pochten zumindest auf den Ratsposten für die Konservativen.
Der deutsche EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) schrieb auf Twitter, er könne "Vorbehalte gegen Timmermans" als Kommissionschef "verstehen". Schließlich hätten die Christdemokraten die "Europawahlen gewonnen".
Am Vormittag kursierten dann Angaben über ein neues Paket, das einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Partei- und Regionalinteressen schaffen soll. Darin würde die konservative Bulgarin Kristalina Georgieva den Posten der EU-Ratspräsidentin übernehmen. Der liberale amtierende belgische Regierungschef Charles Michel könnte demnach Außenbeauftragter werden.
Beim EU-Parlamentspräsidenten würden sich die Konservativen und die Liberalen in zwei Amtszeiten von jeweils zweieinhalb Jahren abwechseln. Hier könnte dann Weber zum Zuge kommen. "Es gibt eine große Chance, dass dieser Vorschlag durchkommt", hieß es aus EU-Kreisen. Sicher sei dies aber nicht. Teilweise wurde auch ein Posten als erste Vize-Präsidentin der EU-Kommission für die Liberale Margrethe Vestager in das Personalpaket einbezogen.
Für Timmermans als Kommissionschef gebe es "einen starken Konsens, aber die Situation ist sehr im Fluss", sagte ein EU-Diplomat. Massiven Widerstand gab es aus mehreren osteuropäischen Staaten. Insbesondere Ungarn und Polen, gegen die unter dem bisherigen Juncker-Stellvertreter von der EU-Kommission Strafverfahren wegen der Verletzung der Rechtsstaatlichkeit eingeleitet wurden, stellten sich quer.
Auch Italien hatte Vorbehalte geltend gemacht. Auf die Frage, ob Timmermans noch im Rennen sei, sagte der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte, dies sei abzuwarten. "Wir müssen flexibel bleiben, um den am besten geeigneten Kandidaten zu bestimmen."
Schon der Beginn des Gipfels hatte sich wegen einer Reihe von Vorgesprächen um dreieinhalb Stunden verzögert. Statt um 18.00 Uhr begann das Treffen offiziell erst gegen 21.30 Uhr. Um 23.00 Uhr wurde der Gipfel dann unterbrochen, damit EU-Ratspräsident Donald Tusk in bilateralen Gesprächen eine Lösung suchen konnte.
Die große Runde nahm dann ihre Beratungen erst am Montagmorgen um 8.00 Uhr bei einem Frühstück wieder auf. Am Vormittag wurde der Gipfel erneut für Sondierungen unterbrochen. Das Treffen mit 28 Staats- und Regierungschefs wurde dann gegen 10.45 Uhr fortgesetzt.
(U.Beriyev--DTZ)