Merkel - Weber wird doch kein EU-Kommissionschef
Kurz vor dem EU-Sondergipfel zur Vergabe der europäischen Spitzenposten hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht auf eine weitere Unterstützung für die Kandidatur von Manfred Weber (CSU) für das Amt des Kommissionspräsidenten festlegen wollen. Auf eine entsprechende Frage sagte sie am Samstag beim G20-Gipfel in Japan: "Ich unterstütze, dass eine Lösung gefunden wird." Dies solle "auf Grundlage der Spitzenkandidaten geschehen".
Nach Informationen von Deutsche Tageszeitung hatten sich die beim G20-Gipfel anwesenden EU-Staats- und Regierungschefs am Freitag darauf geeinigt, dass Weber nicht neuer Präsident der EU-Kommission wird. Auch Merkel habe die Entscheidung bereits akzeptiert, hieß es in dem Bericht. Wie Deutsche Tageszeitung weiter erfuhr, wollen die EU-Regierungschefs und führende Vertreter des EU-Parlaments nun darüber beraten, ob der Sozialdemokrat Frans Timmermans oder anstelle von Weber ein anderer Vertreter der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) Chef der EU-Kommission werden soll.
Die Konservativen und die Sozialdemokraten als stärkste Fraktionen im Europaparlament pochten bisher darauf, dass nur einer der Spitzenkandidaten bei der Europawahl Nachfolger von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker werden kann. Für die EVP ist das der CSU-Politiker Weber und für die Sozialdemokraten der Niederländer Timmermans.
Die EU-Chefs hatten sich bei ihrem regulären Juni-Gipfel vergangene Woche jedoch nicht auf einen Kandidaten für die Juncker-Nachfolge einigen können. Den Durchbruch soll ein EU-Sondergipfel am Sonntag bringen. Weber hatte sich bisher geweigert, seinen Anspruch auf den Kommissionsvorsitz aufzugeben. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist sowohl gegen Weber als Kommissionschef als auch gegen das Prinzip der Spitzenkandidaten.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte in Osaka, er gehe von einer Verständigung über die Besetzung der EU-Spitzenposten beim Gipfel am Sonntag aus. "Ich bin zuversichtlich, dass ich sie im Ergebnis gut finden werde", fügte der Sozialdemokrat hinzu.
Macrons Versuch, das Spitzenkandidaten-Prinzip auszuhebeln, traf in der liberalen Fraktion des Europaparlaments auf Widerstand. "Es ist eine Tatsache, dass Herr Weber bei der Europawahl Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP) war und die EVP die Wahl gewonnen hat. Man kann das nicht ignorieren", sagte die Niederländerin Sophie in’t Veld, die der gleichen Fraktion wie die Abgeordneten von Macrons Partei La République en Marche angehört.
"Meiner Ansicht nach sollte ein Spitzenkandidat Präsident der EU-Kommission werden", fügte die Abgeordnete hinzu. In’t Veld warnte vor einem Rückfall in die Zeit der "traditionellen Hinterzimmerpolitik". Es müsse verhindert werden, "dass jemand auf der Basis völlig intransparenter Kriterien ausgewählt wird und die Bürger darauf keinen Einfluss haben". (U.Stolizkaya--DTZ)