Deutsche Tageszeitung - Berliner Student wegen brutalen Angriffs auf jüdischen Kommilitonen vor Gericht

Berliner Student wegen brutalen Angriffs auf jüdischen Kommilitonen vor Gericht


Berliner Student wegen brutalen Angriffs auf jüdischen Kommilitonen vor Gericht
Berliner Student wegen brutalen Angriffs auf jüdischen Kommilitonen vor Gericht / Foto: © AFP/Archiv

Etwas mehr als ein Jahr nach einem mutmaßlich antisemitischen Angriff auf einen Studenten der Freien Universität (FU) Berlin muss sich seit Dienstag ein 24-jähriger ehemaliger Kommilitone vor dem Amtsgericht Tiergarten verantworten. Zum Prozessauftakt gestand der Angeklagte, seinen jüdischen Mitstudenten am 2. Februar 2024 vor einer Bar in Berlin-Mitte geschlagen zu haben. Er bestritt aber das von der Staatsanwaltschaft angeklagte antisemitisches Motiv.

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Er habe das 32-jährige Opfer bis zum Tatabend nur aus einer Chatgruppe gekannt, in der hunderte Lehramtsstudenten der FU Mitglieder waren. Dort habe sein Kommilitone als Administrator fungiert und unter anderem Teilnehmer entfernt, die Aufrufe zu Demonstrationen teilten. Außerdem habe der 32-Jährige Plakate an der Universität abgerissen. Dies habe seinem Bild von einem toleranten Miteinander widerstrebt, sagte der Angeklagte. Bei dem Opfer handelt es sich um den Bruder des Comedians Shahak Shapira.

In der Bar sei er dem 32-Jährigen, den er bis dahin nicht persönlich kannte, zufällig begegnet, sagte der Beschuldigte. Nachdem dieser mit seiner Begleiterin das Lokal verlassen habe, sei er ihm nachgegangen und habe ihn auf sein "respektloses" Verhalten in der Chatgruppe und das Abreißen der Plakate angesprochen.

Dann habe er "leider Gottes" die Fassung verloren und zunächst zweimal mit der Faust zugeschlagen, sagte der 24-Jährige. Anschließend habe er seinem Kommilitonen mit dem Fuß ins Gesicht getreten. Offenbar habe er sich dabei wegen seiner Kampfsporterfahrung unterschätzt. Die Tat tue ihm entsetzlich leid, und er bitte um Entschuldigung. "Es war eine Kurzschlussreaktion."

Bei dem Angriff seien die Nase und eine Augenhöhle gebrochen worden, sagte der 32-jährige Geschädigte, der auch als Nebenkläger auftrat, bei seiner Vernehmung. Mehrere Operationen seien nötig gewesen, um sein Gesicht zu rekonstruieren. Er habe einen Monat nur im Sitzen schlafen und flüssige Nahrung zu sich nehmen können. Erst im Oktober sei ein Metalleinsatz aus der Augenhöhle, der zur Rekonstruktion der Knochen eingesetzt worden sei, operativ entfernt worden. Wahrscheinlich seien die Schäden teilweise bleibend, sagte das Opfer.

Wegen der Behandlung seiner Verletzungen habe er etliche Monate seines Lehramtsstudiums verpasst und nicht arbeiten können, sagte der Student. Es sei unklar, ob er sein Studium innerhalb der Regelstudienzeit abschließen könne. In die Öffentlichkeit gehe er nur noch mit Personenschutz. In dem Chat habe er nicht nur antisemitische, sondern auch rassistische, homophobe oder frauenfeindliche Posts gelöscht, sagte der 32-Jährige.

Der Angeklagte habe ihn einige Zeit vor dem Vorfall in der Bar persönlich angeschrieben und ihn dafür kritisiert, Menschen aus der Gruppe entfernt zu haben. "Ich habe ihm erklärt, dass Menschenhass nicht unter Meinungsfreiheit fällt und dass man darauf vor allem als Lehrkraft achten sollte."

Der Fall hatte über die Grenzen der Hauptstadt hinaus für Empörung gesorgt. Als Konsequenz wurde im Juli 2024 an den Berliner Hochschulen das erst vor wenigen Jahren abgeschaffte Ordnungsrecht wieder eingeführt. Damit können Gewalt gegen Hochschulmitglieder sowie auch Bedrohung oder sexuelle Belästigung geahndet werden. Die Strafen reichen vom Ausspruch einer Rüge über den Ausschluss von bestimmten Lehrveranstaltungen bis hin zur Exmatrikulation.

Der Angeklagte erhielt nach Bekanntwerden des Angriffs ein Hausverbot an der FU Berlin. Im Sommer exmatrikulierte er sich eigenen Angaben zufolge selbst. Er lebe mittlerweile in München und arbeite im Vertrieb, sagte er vor Gericht. Er habe ein Antigewalttraining absolviert und mache eine Psychotherapie.

Dem Opfer bot der Angeklagte eine Summe von 5500 Euro an, was der Mann aber ablehnte. Dies setze eine Entschuldigung voraus, die ein Einräumen des antisemitischen Motivs einschließe, erklärte sein Anwalt während der Verhandlung.

Der Prozess fand unter großem Medieninteresse und erhöhten Sicherheitsmaßnahmen statt. Neben dem Angeklagten und dem Opfer wurden auch zufällige Zeugen des Angriffs befragt. Die Verhandlung soll am 17. April fortgesetzt werden, dann wird auch das Urteil erwartet.

(L.Svenson--DTZ)

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