EU signalisiert Zustimmung zu erneutem Brexit-Aufschub
Im Ringen um einen Brexit-Aufschub in letzter Minute hat die EU ihr Entgegenkommen signalisiert. Nach einem Besuch der britischen Premierministerin Theresa May in Berlin zeigte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einer Fraktionssitzung am Dienstag offen für einen Aufschub von mehreren Monaten. Aus Paris, wo May am Abend Präsident Emmanuel Macron treffen wollte, verlautete, eine Fristverlängerung unter einem Jahr mit strengen Auflagen sei akzeptabel.
Teilnehmer der Unionsfraktionssitzung in Berlin berichteten, Merkel habe erneut klargestellt, dass ein ungeordneter Austritt Großbritanniens aus der EU nicht im Interesse Europas sei. Daher sei sie offen für einen Aufschub bis zum Jahreswechsel. Aus dem Elysée-Palast hieß es, Paris habe sich der Idee, "eine andere Lösung (zu einem harten Brexit) zu finden, nie verschlossen". Das könne aber nur in "bestimmten Grenzen" geschehen. Auf die Frage nach einem Zeitrahmen hieß es lediglich, ein Jahr "scheint zu lang".
Die Signale aus Berlin und Paris decken sich mit dem Stimmungsbild vor dem EU-Sondergipfel am Mittwoch in Luxemburg. Auf die Frage, ob es am Freitag den gefürchteten No-Deal-Brexit geben wird, sagte dort Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn: "Sicher nicht."
Die Briten hätten eigentlich schon am 29. März aus der EU austreten sollen. Doch das mit der EU ausgehandelte Austrittsabkommen fiel bereits drei Mal im Unterhaus durch. Neue Frist ist nun der 12. April. An diesem Tag würde ohne Verlängerung ein ungeordneter Brexit drohen - mit wohl verheerenden Folgen für Wirtschaft und Bürger. Bei ihren Besuchen in Berlin und Paris wollte May daher für eine erneute Verschiebung werben. Sie hat bei der EU eine Fristverlängerung bis zum 30. Juni beantragt.
Die anderen 27 EU-Staaten müssen ihren Beschluss am Mittwoch einstimmig fassen. Unklar ist dabei, zu welchen Konditionen London mit einer Verlängerung rechnen kann. Einige EU-Mitglieder fürchten, dass durch ständigen Brexit-Streit die Haushaltsplanung und Reformen innerhalb der EU blockiert werden. Aus Macrons Umfeld hieß es, es müsse Bedingungen geben, die sicherstellten, dass Großbritannien "sich an die Regeln (der EU) hält, aber nicht an den Entscheidungsprozessen beteiligt ist".
Aus europäischen Diplomatenkreisen verlautete, die von May gewünschte Fristverlängerung bis Ende Juni werde nur unter der Bedingung abgenickt, dass das britische Parlament sich vor dem 22. Mai in einem vierten Anlauf hinter Mays mit der EU ausgehandeltes Austritts-Abkommen stelle. Gelinge das nicht, würde der 22. Mai zum neuen Termin für ein automatisches Ausscheiden aus der EU. So könnte vermieden werden, dass die Briten an der Europawahl teilnehmen müssen.
Auf der Suche nach einer Mehrheit für ihren Plan war May zuletzt auf Labour-Chef Jeremy Corbyn zugegangen - trotz scharfer Kritik aus den eigenen Reihen. Am Dienstag musste die britische Regierung allerdings einräumen, dass es bis zum Sondergipfel keine Einigung mit der Opposition geben werde. Die Gespräche sollen nach dem Gipfel am Donnerstag fortgesetzt werden.
Die britische Regierung sollte dem Parlament noch am Dienstag einen Plan vorlegen, der festlegt, um welchen Zeitraum der EU-Austritt verschoben werden soll. Dies ist Teil eines am Montagabend beschlossenen Gesetzes, das die Regierung zu einer Verschiebung verpflichtet, falls die einzige Alternative ein harter Brexit wäre.
Vor dem EU-Sondergipfel am Mittwochabend werden sich Vertreter derjenigen Länder zusammensetzen, die von einem harten Brexit besonders betroffen wären. An diesem "Koordinierungstreffen" sollen die Nordsee-Anrainerstaaten innerhalb der EU teilnehmen. Ob Bundeskanzlerin Merkel kommen kann, ist noch ungewiss: Für den Nachmittag ist im Bundestag eine Fragestunde angesetzt.
(U.Beriyev--DTZ)