Regierung lehnt Enteignungen als Mittel gegen Wohnungsnot ab
In der Debatte um Wohnraumknappheit und hohe Mieten spricht sich die Bundesregierung gegen Enteignungen aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) halte diese "nicht für ein geeignetes Mittel zur Linderung der Wohnungsnot", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag. Laut Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ist die Debatte "überflüssig wie ein Kropf". Auch SPD-Politiker betonten, andere Maßnahmen seien viel erfolgversprechender.
Die Debatte über Wohnungsknappheit und hohe Mieten in Ballungsräumen hatte am Wochenende durch bundesweite Demonstrationen für bezahlbaren Wohnraum neue Nahrung erhalten. Zugleich startete in Berlin eine Unterschriftensammlung für ein Volksbegehren, um große private Wohnungsgesellschaften zu enteignen. Grünen-Chef Robert Habeck sagte der "Welt am Sonntag", wenn andere Maßnahmen keinen Erfolg zeigten, damit Kommunen mehr Sozialwohnungen errichteten, "muss notfalls die Enteignung folgen".
Seibert hielt dem entgegen, dass es der Schlüssel für bezahlbaren Wohnraum sei, eine ausreichende Zahl von Wohnungen zu Verfügung zu haben. Dafür sehe der Koalitionsvertrag eine Vielzahl von Maßnahmen vor. Es sei der Kanzlerin und der gesamten Bundesregierung sehr bewusst, dass der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum "ein großes Thema für die Menschen ist".
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums verwies ebenfalls darauf, dass die große Koalition bereits eine Vielzahl von Initiativen eingeleitet habe. Allein für den sozialen Wohnungsbau, das Baukindergeld, Wohngeld und Städtebauförderung würden mehr als 13 Milliarden Euro zu Verfügung gestellt.
Bundeswirtschaftsminister Altmaier sagte am Rande einer Veranstaltung in München, wer jetzt über Enteignungen spreche, beschädige die Konjunktur und die Interessen von Millionen Mietern. Das Thema könne die private Bautätigkeit bremsen, warnte er. Am Wochenende hatte sich bereits Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) gegen Enteignungen gewandt.
Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles (SPD) sagte nach Sitzungen der Parteigremien am Montag, Enteignungen seien nur eine "Scheinlösung", die langwierig und teuer sei. Die SPD halte einen "Mietendeckel" für geeigneter. Entscheidend sei ohnehin der Neubau von Wohnungen. Dazu sollten auch neue kommunale Wohnungsbaugesellschaften auf Weg gebracht werden.
Der parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, plädierte dafür, dass Kommunen vermehrt auf Erbbaurecht setzen und ihren Boden nicht länger an Dritte verkaufen. Ziel müsse es sein, Boden in öffentlicher Hand zu belassen, sagte er der "Passauer Neuen Presse".
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak nannte die Debatte in Berlin "rein ideologisch". Durch Enteignung wurde "keine einzige Wohnung neu gebaut".
Dagegen sagte die Linken-Vorsitzende Katja Kipping, die Diskussion sei längst überfällig und die Parteien müssten entschieden, auf wessen Seite sie stünden - bei den "Miethaien" oder bei den Mietern. Enteignung könne in der Wohnungsfrage ein Mittel der "Notwehr" sein.
(V.Sørensen--DTZ)