May: Verhandlungen mit Opposition sollen No-Brexit verhindern
Die britische Premierministerin Theresa May hat ihre Gespräche mit der Opposition über einen Ausweg aus dem Brexit-Chaos vor harscher Kritik der Hardliner verteidigt. Je länger sich das Parlament nicht einigen könne, desto größer werde die Gefahr, dass Großbritannien die EU "nie verlassen" werde, erklärte May am Samstagabend. Dies bedeutete, dass "uns der Brexit, für den die Menschen gestimmt haben, durch die Finger flutscht".
Um das zu verhindern, brauche Großbritannien ein Abkommen, bekräftigte May. Sie war vergangene Woche auf die Opposition zugegangen, nachdem ihr mit Brüssel ausgehandeltes Abkommen - auch mit den Stimmen der Hardliner in ihrer eigenen Partei - drei Mal im Parlament durchgefallen war. Zudem bat May die EU um eine weitere Verlängerung der Austrittsfrist bis zum 30. Juni - damit müsste Großbritannien Ende Mai an der Europawahl teilnehmen.
Seit Mittwoch verhandeln Labour und Tories über einen mehrheitsfähigen Kompromiss. Ob sich May und Oppositionsführer Jeremy Corbyn tatsächlich einigen können, war am Wochenende weiter ungewiss. Nach Kritik Corbyns an mangelnder Kompromissbereitschaft der anderen Seite versicherte Finanzminister Philip Hammond, bei den Verhandlungen gebe es "keine roten Linien". Zugleich ermahnte Hammond seine Parteikollegen zu mehr Offenheit.
May betonte am Samstagabend die Punkte, in denen sich beide Seiten einig seien, wie etwa "das Ende der Freizügigkeit, den Ausstieg aus der EU mit einem guten Abkommen und der Schutz von Jobs". Labour setzt sich zudem für eine engere Bindung Großbritanniens an die EU ein. So fordert die Partei den Verbleib des Vereinigten Königreichs in einer Zollunion mit Brüssel - was May bisher strikt abgelehnt hat.
May und Corbyn stehen beide parteiintern unter Druck, nicht zu viel Entgegenkommen zu zeigen. Am Samstag forderten 80 Labour-Abgeordnete ein zweites Referendum als Bedingung für ein gemeinsames Abkommen. Bei den Tory-Abgeordneten gibt es nach Informationen der Sonntagszeitungen Bestrebungen, May des Amts zu entheben, sollte Großbritannien tatsächlich an den Wahlen zum Europaparlament teilnehmen.
Ungewiss ist auch, ob die Staats- und Regierungschefs der 27 übrigen EU-Staaten einer Fristverlängerung zustimmen werden. Die EU hat für Mittwoch einen weiteren Sondergipfel zum Brexit angesetzt. Sollte Brüssel einen weiteren Aufschub ablehnen, verlässt Großbritannien die EU zwei Tage später ohne Abkommen.
Die EU, allen voran Frankreich, verlangt von London einen klaren Plan für den Brexit, um einem weiteren Aufschub zuzustimmen. Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian machte deutlich, dass die derzeitige Hängepartie ein Ende haben müsse: "Die Europäische Union kann sich nicht permanent mit den Unwägbarkeiten der britischen Innenpolitik aufreiben".
Dagegen hält es der irische Regierungschef Leo Varadkar nach eigenen Worten für "äußerst unwahrscheinlich", dass ein EU-Mitgliedstaat sein Veto gegen einen weiteren Aufschub einlegen werde. Varadkar unterstützte zudem einen längeren Aufschub für den Ausstieg Großbritanniens von bis zu einem Jahr, wie ihn zuletzt EU-Ratspräsident Donald Tusk ins Gespräch gebrachte hatte.
Ungeachtet der anhaltenden Ungewissheit über die Zukunft des Brexit haben die britischen Behörden mit der Ausgabe neuer Pässe begonnen. Seit dem 30. März, einen Tag nach dem ursprünglich geplanten EU-Austritt, würden Pässe ohne den Aufdruck "Europäische Union" ausgegeben, erklärte eine Sprecherin des Innenministeriums in London. Aus Kostengründen kommen vorerst aber auch noch Pässe aus Altbeständen in Umlauf, die eine EU-Aufschrift enthalten. Für britische Bürger mache das keinen Unterschied.
(A.Nikiforov--DTZ)