Israel und Hamas einigen sich auf Waffenruhe im Gazastreifen und Geisel-Freilassung
Nach mehr als 15 Monaten Krieg haben sich Israel und die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas auf eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung von Geiseln geeinigt. Die Waffenruhe trete am Sonntag in Kraft, sagte der Regierungschef des Vermittlerlandes Katar, Mohammed bin Abdulrahman al-Thani, am Mittwochabend in Doha. In einer ersten Phase sollen demnach 33 israelische Geiseln freikommen. Von der israelischen Regierung hieß es zu der Vereinbarung allerdings, dass noch einzelne Punkte geklärt werden müssten. Im Gazastreifen feierten tausende Menschen auf den Straßen die sich abzeichnende Feuerpause.
"Die beiden Konfliktparteien im Gazastreifen haben sich auf einen Gefangenen- und Geiselaustausch geeinigt", verkündete al-Thani vor Journalisten. Die Waffenruhe werde am Sonntag in Kraft treten und von den USA, Katar und Ägypten überwacht.
Die drei Länder hatten eine Vermittlerrolle in den über Monate andauernden Verhandlungen zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas eingenommen. Anfang Januar waren die Gespräche in der katarischen Hauptstadt Doha wieder aufgenommen worden. Die Ankündigung der Waffenruhe geschehe nun "in der Hoffnung, einen dauerhaften Waffenstillstand zwischen den beiden Seiten zu erreichen", sagte al-Thani weiter.
Er bestätigte zudem bereits bekannt gewordene Angaben zu dem Abkommen, wonach in einer ersten Phase 33 israelische Geiseln freigelassen werden sollen, darunter Frauen, Kinder und alte sowie kranke und verletzte Zivilisten. Im Gegenzug sollen in israelischen Gefängnissen festgehaltene Gefangene freikommen. Details bezüglich der zweiten und dritten Phase des Abkommens würden nach der Umsetzung der ersten Phase bekannt gegeben, erklärte al-Thani.
Die Nachricht über das Abkommen löste im gesamten Gazastreifen Jubel aus. Tausende Menschen versammelten sich in Gruppen auf den Straßen um zu feiern, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP aus Deir al-Balah im Zentrum des Palästinensergebietes und anderen Gegenden berichteten. Die Menschen tanzten, umarmten einander und fotografierten sich, um den besonderen Moment festzuhalten.
In Israel schwankten die Gefühle der Geisel-Angehörigen zwischen Freude und Bangen. Ifat Kalderon, die Cousine des verschleppten Franko-Israeli Oder Kalderon, sagte, sie habe "gemischte Gefühle" - einerseits "Freude", andererseits einen "schrecklichen Stress" wegen der Furcht, dass die Freilassung scheitern könnte.
Das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte, dass "mehrere Klauseln des Rahmens" noch offen seien. Die verbleibenden zu klärenden Punkte des Abkommen würden voraussichtlich im Laufe des Abends geklärt werden, fügte das Büro hinzu.
Der scheidende US-Präsident Joe Biden zeigte sich allerdings "begeistert" über die Vereinbarung und erklärte, sie sei aufgrund der "hartnäckigen und gewissenhaften" Arbeit der US-Diplomatie zustande gekommen. Zugleich betonte Biden, mit dem künftigen US-Präsidenten Donald Trump habe er dabei als "ein Team" zusammengewirkt.
Trump verbuchte die Einigung wenige Tage vor seinem Amtsantritt als seinen eigenen Erfolg. "Diese epische Waffenruhe-Vereinbarung konnte nur als Ergebnis unseres historischen Siegs im November zustande kommen", schrieb Trump in seinem Onlinedienst Truth Social mit Blick auf seinen Sieg bei der Präsidentschaftswahl. "Wir haben einen Deal für die Geiseln im Nahen Osten. Sie werden bald freigelassen. Danke!", erklärte Trump.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) begrüßte die Einigung seinerseits. "Es ist gut, dass eine Einigung über einen Waffenstillstand und die Freilassung von Geiseln – auch deutschen – in Gaza erreicht scheint", schrieb er bei X. Das Abkommen, das nun "konsequent umgesetzt" werden müsse, biete "die Chance für ein dauerhaftes Kriegsende und die Verbesserung der schlechten humanitären Lage im Gazastreifen".
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) reagierte bei X und Bluesky mit vorsichtigem Optimismus: "In diesen Stunden gibt es Hoffnung, dass die Geiseln endlich freikommen und das Sterben in Gaza ein Ende findet. Alle, die Verantwortung tragen, sollten jetzt dafür sorgen, dass diese Chance genutzt wird", appellierte die Ministerin.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte ihrerseits bei X, die Vereinbarung bringe "Hoffnung für die gesamte Region, in der die Menschen viel zu lange unermessliches Leid erlitten" hätten.
Ägyptische Medien berichteten, dass der infolge des Waffenruhe-Abkommens seit Mai geschlossene Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und dem Gazastreifen für Hilfslieferungen geöffnet werden solle. Der ägyptische Sender Al-Kahera News berichtete von einem aus drei Phasen bestehenden Rahmenabkommen. Die erste Phase dauere demnach 42 Tage und beinhalte ein vorübergehendes Ende der militärischen Einsätze auf beiden Seiten. Zudem müssten sich die israelischen Streitkräfte aus dicht besiedelten Gebieten an die Grenzen zurückziehen, Überflüge durch israelische Kampf- und Aufklärungsflugzeuge müssten für zehn Stunden täglich eingestellt werden.
Der Gaza-Krieg dauert bereits schon mehr als 15 Monate. Ausgelöst worden war er durch den beispiellosen Großangriff der Hamas und mit ihr verbündeter Gruppen auf Israel am 7. Oktober 2023. Dabei wurden israelischen Angaben zufolge 1210 Menschen getötet und 251 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. 94 Geiseln sollen sich nach wie vor im Gazastreifen befinden, 34 von ihnen sind laut der israelischen Armee bereits tot.
Israel geht seither massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde, die nicht unabhängig überprüft werden können, bislang mehr als 46.700 Menschen getötet.
(V.Varonivska--DTZ)