May hofft auf Brexit-Kompromiss im Schulterschluss mit Corbyn
Gemeinsam mit Labour-Chef Jeremy Corbyn will die britische Premierministerin Theresa May nach einem Ausweg aus der Brexit-Sackgasse suchen. Zunächst sah die Tagesordnung des Unterhauses am Mittwoch vor, dass sich May im Parlament den Fragen der Abgeordneten stellt. Ein Treffen der Regierungschefin mit dem Oppositionsführer könnte dann im Laufe des Nachmittags stattfinden.
May hatte am Dienstagabend eine Kehrtwende vollzogen und erstmals einen Schritt auf Corbyn zu gemacht, nachdem sich in den Tagen zuvor keine Mehrheit für eine der möglichen Brexit-Varianten gefunden hatte. Sie wolle mit ihm nach einem gemeinsamen Plan suchen, um die EU auf "geordnetem Weg" verlassen zu können, sagte May. Corbyn erklärte, er sei "sehr gerne" bereit, mit ihr nach Auswegen aus der derzeitigen Sackgasse zu suchen.
Zugleich kündigte die Premierministerin an, einen erneuten Aufschub über den 12. April hinaus bei der EU zu beantragen. Durch einen "möglichst kurzen" Aufschub solle das britische Parlament die Zeit bekommen, doch noch ein Austrittsabkommen zu beschließen. "Mit einem Abkommen auszutreten ist die beste Lösung", sagte May.
Für den Fall, dass es nicht zu einer Einigung mit Corbyn kommt, hat sie den Abgeordneten angeboten, ihr Vorgaben für das weitere Vorgehen zu machen. Sie hoffe jedoch, dass Großbritannien die EU bis zum 22. Mai mit einem Abkommen verlassen könne, um nicht an der Europawahl teilnehmen zu müssen.
Der 69-jährige Corbyn ist für viele konservative Politiker ein rotes Tuch. Er gehört zum linken Labour-Flügel und hatte vier Jahrzehnte lang keine herausgehobene Funktion in der Partei. 2015 kandidierte er mit einer Reihe sozialistischer Positionen für das Amt des Parteichefs und wurde überraschend gewählt.
Mit Mays Gesprächsangebot scheint nun eine Brexit-Variante wahrscheinlich, bei der Großbritannien zumindest wirtschaftlich eng an die EU gebunden bleibt. Eine Kernforderung von Labour ist eine Zollunion zwischen der Europäischen Union und Großbritannien über den Austritt hinaus. Auch bei der jüngsten Abstimmung über Alternativen am Montag war der Vorschlag für eine Zollunion der Favorit gewesen.
May hat solche Forderungen bisher abgelehnt. Entsprechend empört reagierten zahlreiche Tories nun auf ihr Gesprächsangebot an Labour. Der Staatssekretär für Wales, Nigel Adams, erklärte am Mittwoch seinen Rücktritt.
In einem Brief an die Premierministerin bezeichnete er ihr Verhalten als "schweren Fehler". Es sei klar, dass Großbritannien nun "in der Zollunion enden" werde. "Das ist nicht der Brexit, der meinen Wählern versprochen wurde", schrieb Adams.
Der rechtskonservative Tory-Abgeordnete Jacob Rees-Mogg sagte, nun hätten diejenigen die Kontrolle über das Geschehen übernommen, die für einen britischen Verbleib in der EU gestimmt hätten. Er forderte, Großbritannien solle stattdessen die EU am 12. April ohne Austrittsabkommen verlassen. Rees-Mogg steht derzeit in der Kritik, weil er bei Twitter eine Rede der AfD-Politikerin Alice Weidel weiter verbreitet hat.
Der frühere EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) appellierte in einem Interview an Jeremy Corbyn, einen parteiübergreifenden Kompromiss zu finden. Dem Fernsehsender Phoenix sagte Schulz, anstelle der "zynischen Machtspielchen" im britischen Parlament hoffe er auf eine "Allianz der Vernünftigen".
(M.Dylatov--DTZ)