Südkoreas Opposition plant zweiten Anlauf für Amtsenthebung von Präsident Yoon
Nach dem im Parlament gescheiterten Antrag auf Absetzung von Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol wegen Ausrufung des Kriegsrechts hat die wichtigste Oppositionspartei am Sonntag einen erneuten Anlauf für ein Amtsenthebungsverfahren angekündigt. Die Polizei nahm unterdessen den bereits zurückgetretenen Verteidigungsminister Kim Yong Hyun fest. Innenminister Lee Sang Min trat nach offiziellen Angaben zurück. Gegen beide Minister wird wie gegen Yoon wegen Aufruhrs ermittelt.
Mit Blick auf die Ausrufung des Kriegsrechts durch Yoon am Dienstag sagte Oppositionschef Lee Jae Myung, der Präsident sei "der Hauptschuldige hinter dem Aufstand und dem Militärputsch, der die verfassungsmäßige Ordnung Südkoreas zerstört hat". Yoon müsse daher "entweder sofort zurücktreten oder schnellstmöglich seines Amtes enthoben werden", seine Partei DP werde daher für den 14. Dezember ein erneutes Votum zur Amtsenthebung beantragen.
Der konservative Staatschef hatte am Dienstag das Kriegsrecht verhängt. Das Parlament machte jedoch kurz danach in einer dramatischen Sitzung von seinem Vetorecht gegen die Maßnahme Gebrauch, woraufhin Yoon das Kriegsrecht nach wenigen Stunden wieder aufhob. Dennoch befindet sich das ostasiatische Land seither weiterhin in politischen Turbulenzen.
Am Samstag scheiterte im südkoreanischen Parlament ein erster Antrag auf Absetzung von Präsident Yoon. Die von der Opposition eingebrachte Initiative verfehlte die erforderliche Zweidrittelmehrheit, nachdem die meisten Abgeordneten von Yoons PP-Partei die Abstimmung boykottiert hatten. Vor dem Parlament in Seoul demonstrierten nach Polizei-Angaben rund 150.000 Menschen gegen Yoon.
Die Präsidentenpartei PPP erklärte am Sonntag, sie habe im Gegenzug für die Blockade einer Amtsenthebung Yoons "Versprechen erhalten", dass er sich zurückziehen und seiner Partei und dem Ministerpräsidenten die Regierungsgeschäfte überlassen werde. "Selbst bevor der Präsident zurücktritt, will er sich nicht in staatliche Angelegenheiten einmischen, darunter außenpolitische Angelegenheiten", sagte PPP-Chef Han Dong Hoon am Sonntag nach einem Treffen mit Ministerpräsident Han Duck Soo.
Parlamentspräsident Woo Won Shick wies dieses Arrangement zurück. "Die gemeinsame Ausübung der präsidialen Macht durch den Ministerpräsidenten und die Regierungspartei (...) ist eine klare Verletzung der Verfassung", sagte Woo. Oppositionschef Lee kritisierte, die Macht des Präsidenten sei "nicht das persönliche Eigentum von Präsident Yoon Suk Yeol".
Der Verfassungsrechtler Kim Hae Won von der Universität in Busan verglich die Vereinbarung mit einem "stillen Staatsstreich".
Der zum Zeitpunkt der Ausrufung des Kriegsrechts amtierende Innenminister Lee Sang Min trat zurück, wie das Präsidialbüro am Sonntag mitteilte. Wenige Stunden zuvor wurde südkoreanischen Medien zufolge der bereits am Donnerstag zurückgetretene Ex-Verteidigungsminister Kim Yong Hyun wegen seiner Rolle bei der Kriegsrecht-Ausrufung festgenommen. Wie die staatliche Nachrichtenagentur Yonhap mitteilte, stellte er sich in der Nacht zum Sonntag den Behörden. Nach einer sechsstündigen Vernehmung sei er festgenommen worden.
An der Parlamentsabstimmung am Samstag über den Amtsenthebungsantrag nahmen nur 195 der 300 Abgeordneten teil, wie Parlamentspräsident Woo mitteilte. Für die Verabschiedung des Antrags wären mindestens 200 Stimmen erforderlich gewesen. "Folglich erkläre ich, dass die Abstimmung über diese Frage ungültig ist", sagte Woo.
Auf Fernsehbildern war zuvor zu sehen gewesen, wie die meisten Abgeordneten von Yoons PP-Partei den Plenarsaal verließen, bevor die Abstimmung begann. Nur drei PP-Parlamentarier nahmen dann an dem Votum teil. Die PPP verfügt über 108 Mandate. Für die Amtsenthebung wäre also die Zustimmung von mindestens acht PPP-Vertretern erforderlich gewesen.
Vor dem Parlament fand am Samstag eine Großdemonstration gegen Yoon statt. Während die Polizei laut der Yonhap von 150.000 Teilnehmern sprach, nannten die Organisatoren die Zahl von einer Million. Als sich die Bilder von den aus dem Plenarsaal ausziehenden PPP-Abgeordneten verbreiteten, buhten viele Demonstrierende. Manche brachen sogar in Tränen aus.
Laut einer am Freitag veröffentlichten Umfrage zufolge ist die Zustimmung für den seit zweieinhalb Jahren amtierenden Yoon auf ein Rekordtief von 13 Prozent abgesackt.
Yoon hatte das Kriegsrecht wegen eines Haushaltsstreits zwischen seiner PPP und der größten Oppositionspartei DP ausgerufen. Als Begründung nannte er den Schutz eines "liberalen Südkoreas vor den Bedrohungen durch Nordkoreas kommunistische Truppen und um anti-staatliche Elemente zu eliminieren".
(S.A.Dudajev--DTZ)