Deutsche Tageszeitung - "Meine Familie und mich schützen": Wanderwitz kandidiert nicht mehr für Bundestag

"Meine Familie und mich schützen": Wanderwitz kandidiert nicht mehr für Bundestag


"Meine Familie und mich schützen": Wanderwitz kandidiert nicht mehr für Bundestag
"Meine Familie und mich schützen": Wanderwitz kandidiert nicht mehr für Bundestag / Foto: © POOL/AFP/Archiv

Wegen heftiger persönlicher Anfeindungen will der sächsische Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz (CDU) bei der vorgezogenen Wahl im Februar nicht erneut für den Bundestag kandidieren. "Ich muss meine Familie und mich körperlich und seelisch schützen", sagte Wanderwitz der "Freien Presse" vom Dienstag. "Die Angriffe der brutalen Schreihälse sind immer heftiger geworden", begründete Wanderwitz seinen Rückzug. In der Unionsfraktion löste die Entscheidung Bestürzung aus.

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Der CDU-Politiker beklagte mangelnde Rückendeckung: "Wir haben es als Zivilgesellschaft nicht geschafft, den Abgeordneten den Rücken zu stärken." Wanderwitz ist einer der prominentesten ostdeutschen Christdemokraten im Bundestag. Schlagzeilen machte er zuletzt als einer der Initiatoren eines fraktionsübergreifenden Verbotsantrags gegen die AfD, über den der Bundestag bald abstimmen soll.

Der sächsische CDU-Politiker berichtete in der "Freien Presse" von Hassbotschaften gegen ihn. So seien in einem Brief unter anderem seine Kinder mit dem Tode bedroht worden. Hass und Bedrohungen gehörten zum politischen Klima, seit die AfD in die Parlamente eingezogen sei, beklagte Wanderwitz. Im kommenden Jahr werde er 50 Jahre alt, und dies sei ein guter Zeitpunkt, "selbstbestimmt noch einmal etwas Neues" anzufangen.

Unions-Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) reagierte mit Besorgnis auf die Verzichts-Entscheidung des Abgeordneten. "Die Umstände seines Rückzugs aus dem politischen Leben sollten uns allen zu denken geben", sagte Frei der Nachrichtenagentur AFP. "Wenn die Stimmung derart verroht, dass demokratisch gewählte Abgeordnete sich Sorgen um ihre körperliche Unversehrtheit machen, ist die gesamte Gesellschaft gefordert."

Wanderwitz sei "eine starke Stimme Ostdeutschlands", sagte Parlamentsgeschäftsführer Frei zu AFP. "Daher bedauere ich, dass er nicht mehr für den Bundestag kandidiert." Frei rief zu einer Stärkung der demokratischen Mitte auf: Die Neuwahl am 23. Februar sei "eine gute Gelegenheit, die demokratische Mitte unseres Landes zu stärken und Populisten Einhalt zu gebieten, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung verächtlich machen".

Auch in der SPD löste die Ankündigung von Wanderwitz Bestürzung aus. "Wenn Kollegen wie Marco Wanderwitz gehen, weil sie sich nicht mehr in unserer Gesellschaft ge- und ertragen fühlen, dann ist das nicht nur ein Verlust für die CDU und den Parlamentarismus", schrieb der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Roth im Netzwerk X. "Das ist ein Scheitern der liberalen Demokratie vor ihren Feinden."

Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt von den Grünen zeigte sich ebenfalls besorgt: "Es ist ein Warnzeichen, wenn er gehen muss, weil Demokraten wie er Angst haben müssen", schrieb sie auf X.

Wanderwitz sitzt seit 2002 für die Christdemokraten im Bundestag. Von 2020 bis 2021 war er Ostbeauftragter der Bundesregierung. Bei der Bundestagswahl 2021 hatte Wanderwitz das Direktmandat in seinem Wahlkreis nahe Chemnitz an den AfD-Kandidaten verloren, er zog aber über die Landesliste in den Bundestag ein.

Wanderwitz ist nicht der erste Bundestagsabgeordnete, der mit Verweis auf eine aggressive gesellschaftliche Stimmung auf eine Kandidatur verzichtet. Bereits im Juli gab die ebenfalls aus Sachsen stammende Bundestags-Vizepräsidentin Yvonne Magwas (CDU) - laut Medienberichten die Lebensgefährtin von Wanderwitz - ihren Verzicht bekannt. Es werde "gelogen, diskreditiert, gehetzt", erklärte sie damals zur Begründung.

Die frühere Grünen-Chefin Ricarda Lang schrieb am Dienstag auf X: "Mit Wanderwitz und Yvonne Magwas verlassen zwei aufrechte Demokraten das Parlament." Dies sei "schade - aber dass sie es auch tun, um ihre Familie vor Bedrohungen zu schützen, ist unerträglich", schrieb Lang.

(L.Møller--DTZ)

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