Deutsche Tageszeitung - Grüne starten mit Kanzlerkandidat Habeck und neuer Parteispitze in den Wahlkampf

Grüne starten mit Kanzlerkandidat Habeck und neuer Parteispitze in den Wahlkampf


Grüne starten mit Kanzlerkandidat Habeck und neuer Parteispitze in den Wahlkampf
Grüne starten mit Kanzlerkandidat Habeck und neuer Parteispitze in den Wahlkampf / Foto: © AFP

Motivation für die Parteibasis und lauter Jubel für den "lieben Robert": Die Grünen haben auf ihrem Parteitag in Wiesbaden wichtige Weichen für den Bundestagswahlkampf gestellt. Wirtschaftsminister Robert Habeck wurde am Sonntag nach einer umjubelten Rede mit 96,5 Prozent Zustimmung zum Kanzlerkandidaten gekürt. Im Zusammenspiel mit dem neuen Parteivorstand will er die Grünen in eine weitere Regierungsbeteiligung führen. Er wolle dabei "Prinzipientreue mit Pragmatismus" verbinden, sagte er am Sonntag.

Textgröße ändern:

"Ich will Verantwortung suchen und tragen - mit der Erfahrung, die ich gesammelt habe", begründete Habeck seine Kanzlerkandidatur. Deutschland stehe vor großen Herausforderungen, für die andere keine Lösungen hätten. Deshalb brauche es die Antworten der Grünen. Deren zentraler Gedanke sei, dass möglichst viele Menschen frei darüber entscheiden können sollten, "wie sie ihr Leben gestalten".

Diese Freiheit stehe unter Druck, sagte der Vizekanzler. Sie werde aus drei Richtungen angegriffen: von außen "durch Militarismus und Nationalismus", von innen durch Polemik und Populismus und außerdem durch den Klimawandel. Die Grünen würden Antworten auf diese "dreifache Bedrohung" geben, kündigte Habeck an.

Außenministerin Annalena Baerbock, die mit Habeck im Wahlkampf als "Spitzenduo" agieren soll, sicherte dem Vizekanzler ihre volle Unterstützung zu. "Lieber Robert, ich will genau das: Dich als Kanzler", rief sie ihm auf dem Parteitag zu. Mit Blick auf den anstehenden "Winterwahlkampf" fügte Baerbock hinzu: "Ich freu mich drauf, hinter Dir, neben Dir, und wenn der Wind so richtig eisig wird, auch vor Dir im Wind zu stehen."

Nach dem Bruch der Ampel-Koalition vor eineinhalb Wochen hatten die Grünen ihren Parteitag umplanen müssen und vor allem auf den Wahlkampfstart ausgerichtet. Schon zuvor hatte aber festgestanden, dass ein neuer Vorstand gewählt werden würde; der alte war im September nach enttäuschenden Landtagswahlergebnissen zurückgetreten.

Als neue Vorsitzende wählte der Parteitag die parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, Franziska Brantner, und den Bundestagsabgeordnete Felix Banaszak, der zum linken Parteiflügel gehört. Banaszak bekam am Samstag trotz vier Gegenkandidaten 93 Prozent der Stimmen, die Habeck-Vertraute Brantner vom Realo-Flügel kam bei nur einer Mitbewerberin auf lediglich 78 Prozent.

Inhaltlich bestätigten die Grünen am Wochenende weitgehend ihre bisherigen Positionen - umfassende Investitionen in die Infrastruktur und Reform der Schuldenbremse, Digitalisierung und Abbau von Bürokratie zur Ankurbelung der Wirtschaft, Einsatz gegen soziale Ungleichheit, konsequente Unterstützung für die Ukraine.

In der Migrationspolitik betonen die Grünen sowohl das Recht auf Asyl und die Notwendigkeit der Fachkräfteeinwanderung als auch Härte gegen ausländische Straftäter. Das Grünen-Kernthema Klimaschutz nahm vergleichsweise wenig Raum ein.

Die Festlegungen vom Parteitag sollen einfließen in das Wahlprogramm, das der neue Vorstand nun in wenigen Wochen erarbeiten will. Weitere Anregungen soll eine Online-Befragung der Parteimitglieder liefern. Verabschiedet wird das Wahlprogramm voraussichtlich Ende Januar von einem weiteren Parteitag.

Bestärkt fühlen sich die Grünen durch den Parteieintritt von mehr als 11.000 Menschen seit dem Ampel-Aus, darunter rund 2000 allein während des Parteitags. Zugleich flossen seit dem Koalitionsbruch mehr als 700.000 Euro an Spenden an die Partei.

(M.Dorokhin--DTZ)

Empfohlen

FDP bekräftigt Forderung nach vorgezogener Bürgerschaftswahl in Hamburg

Die Hamburger FDP hat ihre Forderung nach einer Verlegung der Bürgerschaftswahl bekräftigt. Am Sonntag forderte deren Vize-Landeschefin Katarina Blume die anderen Parteien und den Senat auf, den für den 2. März geplanten Urnengang um eine Woche auf den Termin der vorgezogenen Bundestagswahl nach vorne zu verschieben. "Rot-Grün wäre im Interesse der Bürger gut beraten, das Thema auf die Tagesordnung zu setzen", erklärte Blume.

Mehr als 1000 Menschen bei Protest der russischen Exil-Opposition in Berlin

In Berlin haben am Sonntag mehr als 1000 Exil-Russen gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und gegen Kreml-Chef Wladimir Putin demonstriert. Aufgerufen zu dem Protest hatten prominente Vertreter der russischen Exil-Opposition, darunter Julia Nawalnaja, Ilja Jaschin und Wladimir Kara-Mursa. Mit Rufen wie "Nein zum Krieg" und "Nieder mit Putin" begrüßte Jaschin unter großem Jubel die Protestteilnehmer.

SPD-Chef Klingbeil beharrt auf Scholz als Kanzlerkandidat

SPD-Chef Lars Klingbeil ist den lauter werdenden Forderungen aus seiner Partei entgegengetreten, Olaf Scholz durch Verteidigungsminister Boris Pistorius als Kanzlerkandidat zu ersetzen. Es sei "ein Irrglaube zu meinen, man tauscht nur den einen gegen den anderen aus und schon ist alles rosig, blüht und gedeiht", sagte Klingbeil dem "Handelsblatt" nach Angaben vom Sonntag. Zudem habe Pistorius selbst gesagt, dass er möchte, dass Scholz antrete.

Klimaschutz: US-Präsident Biden besucht Amazonas-Region

Vor einem Besuch von US-Präsident Joe Biden in der Amazonasregion am Sonntag haben die USA ihre finanzielle Unterstützung für den Klimaschutz hervorgehoben. Bilateral liege der Beitrag der USA für den Klimaschutz bei elf Milliarden Dollar (10,4 Milliarden Euro) in diesem Jahr und erfülle damit die geleisteten Zusagen, gab das Weiße Haus am Sonntag in Washington bekannt.

Textgröße ändern: