Deutsche Tageszeitung - Seehofer sieht in Abschiebung von möglichem Amri-Helfer Ben Ammar keinen Fehler

Seehofer sieht in Abschiebung von möglichem Amri-Helfer Ben Ammar keinen Fehler


Seehofer sieht in Abschiebung von möglichem Amri-Helfer Ben Ammar keinen Fehler
Seehofer sieht in Abschiebung von möglichem Amri-Helfer Ben Ammar keinen Fehler / Foto: ©

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sieht in der Abschiebung eines möglichen Helfers beim Berliner Weihnachtsmarktanschlag keinen Behördenfehler: Dem angeblichen Komplizen des Attentäters Anis Amri, Bilel Ben Ammar, habe keine Tatbeteiligung nachgewiesen werden können, sagte Seehofer am Donnerstag in Berlin. Zudem habe er offenbar nichts zur Aufklärung des Anschlags beitragen können. Für SPD und Opposition sind im Fall Ben Ammar aber weiter viele Fragen offen.

Textgröße ändern:

Die Behörden hätten bei ihrer Entscheidung über eine Abschiebung eine "Güterabwägung" vorgenommen, sagte der Innenminister: So habe Ben Ammars Freilassung angestanden, gleichzeitig galt er als "gefährliche Person", die untertauchen und Straftaten hätte begehen können. Daher könne er die Entscheidung von damals nachvollziehen, Ben Ammar am 1. Februar aus der Untersuchungshaft nach Tunesien abzuschieben.

Zudem hätten zwei Vernehmungen Ben Ammars keine Ansatzpunkte dafür ergeben, "dass er zur weiteren Aufklärung des Anschlags hätte beitragen können oder wollen", sagte Seehofer. Durch die Ermittlungen zu dem Anschlag vom Dezember 2016 mit zwölf Toten habe nicht der Nachweis erbracht werden können, dass Ben Ammar an der Tat Amris beteiligt war. Tatsächlich eingestellt wurden die Ermittlungen gegen Ammar deswegen im Oktober 2017.

Der SPD-Obmann im Amri-Untersuchungsausschuss, Fritz Felgentreu, kündigte an, in dem Gremium solle geprüft werden, ob die Abschiebung von Ammar "voreilig" gewesen sei. Nach den Angaben des Innenministeriums sei es zwar "reine Spekulation", dass Ben Ammar für einen ausländischen Nachrichtendienst tätig war. "Wir werden dem aber weiter nachgehen", sagte Felgentreu.

Nach einem Bericht des "Focus" wurde Ben Ammar abgeschoben, weil er Informant des marokkanischen Geheimdienstes war und deshalb vor Strafverfolgung geschützt werden sollte.

Die Grünen-Obfrau im Untersuchungsausschuss, Irene Mihalic, sagte der Nachrichtenagentur AFP, Seehofer habe nicht erkennen lassen, dass er die Aufklärung des Anschlags vom Breitscheidplatz "aktiv unterstützen" wolle. Die hastige Abschiebung Ben Ammars sei "mindestens fahrlässig" gewesen.

Der FDP-Obmann im Untersuchungsausschuss, Benjamin Strasser, kritisierte, offensichtlich hätten die Behörden damals kein Interesse gehabt "oder haben es verschludert, das Umfeld und die Netzwerke von Anis Amri genauer zu ergründen".

Linken-Obfrau Martina Renner warf dem Innenministerium eine "Blockadestrategie" vor. Ben Ammar habe durchgehend enge Kontakte zu Amri und dessen unmittelbarem Umfeld gehabt und sei daher bei der Frage nach möglichen Hintermännern und Mittätern Amris "hoch relevant".

Ben Ammar wurde laut Seehofer am 24. Dezember 2016 als Gefährder eingestuft. Drei Tage später wurde das Ermittlungsverfahren gegen Amri wegen des Verdachts des Mordes und versuchten Mordes auf Ben Ammar ausgeweitet. Am 3. Januar 2017 wurde Ben Ammar unter dem Verdacht festgenommen, Sozialleistungen erschlichen zu haben.

Seehofer räumte ein, dass er den Aufenthaltsort Ben Ammars nicht kenne. Er habe aber dem Untersuchungsausschuss in seinem am Donnerstag übermittelten Bericht zu Ben Ammar mitgeteilt, dass sein Haus die Suche nach dem Mann unterstützen werde.

(V.Sørensen--DTZ)

Empfohlen

Frankreich: Mehr als 100.000 Menschen protestieren gegen rechtsgerichteten Premier

In Frankreich haben am Samstag nach Angaben des Innenministeriums mehr als 100.000 Menschen gegen die Ernennung des neuen rechtsgerichteten Premierministers Michel Barnier demonstriert. Allein in Paris waren es demnach 26.000. Aber auch in vielen anderen Städten wie Nantes, Nizza, Marseille und Straßburg gingen die Menschen gegen die Regierungsübernahme durch den 73-jährigen Konservativen auf die Straße. Die Wut der Demonstrierenden richtete sich auch gegen Präsident Emmanuel Macron.

Tausende in Israel demonstrieren erneut für Abkommen für Freilassung der Geiseln

Genau elf Monate nach dem beispiellosen Angriff der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas auf Israel sind dort erneut tausende Menschen für ein Abkommen über eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung aller Geiseln auf die Straße gegangen. Unter den Teilnehmern der Kundgebungen in Tel Aviv, Jerusalem und anderen Städten waren am Samstag auch Angehörige der immer noch im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln.

Niedrige Wahlbeteiligung: Präsidentschaftswahl in Algerien zu Ende gegangen

Nach einer einstündigen Verlängerung ist die Präsidentschaftwahl in Algerien am Samstag zu Ende gegangen. Statt wie geplant um 20.00 Uhr schlossen die Wahllokale in dem nordafrikanischen Land angesichts einer sehr niedrigen Wahlbeteiligung erst um 21.00 Uhr Ortszeit (22.00 Uhr MESZ).

Großdemo für "Freiheit" nach Sperrung des Onlinediensts X in Brasilien

Nach der Sperrung des Onlinedienstes X in Brasilien sind in dem südamerikanischen Land am Samstag tausende Demonstranten auf die Straße gegangen. Die Kundgebung in der Wirtschaftsmetropole São Paulo fand am brasilianischen Unabhängigkeitstag als Gegenveranstaltung zu einer offiziellen Parade in der Hauptstadt Brasília mit dem linksgerichteten Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva statt. Dessen rechtsextremer Amtsvorgänger Jair Bolsonaro unterstützte den Protestmarsch in São Paulo.

Textgröße ändern: