EU-Außenbeauftragter nach Trump-Sieg zu Solidaritätsbesuch in der Ukraine
Wenige Tage nach dem Wahlsieg von Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl hat der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell der Ukraine einen Solidaritätsbesuch abgestattet. "Der klare Zweck dieses Besuchs ist es, der Ukraine die Unterstützung der Europäischen Union auszusprechen", sagte Borrell am Samstag in Kiew. "Diese Unterstützung ist unerschütterlich." Der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha warnte unterdessen vor Zugeständnissen an Russland: Eine "Appeasement"-Politik werde "mehr Krieg" bringen.
Borrell führte aus, die Ukraine sei "absolut" auf die anhaltende Unterstützung der EU angewiesen, um sich selbst "gegen Russlands Aggression zu verteidigen". Borrells Visite ist der erste Ukraine-Besuch eines hochrangigen EU-Vertreters seit Trumps Sieg bei der Wahl am Dienstag. Der US-Republikaner ist ein entschiedener Kritiker der Milliardenhilfen für die Ukraine zur Abwehr des russischen Angriffskrieges. Kiew befürchtet, dass Trump nach seiner Amtsübernahme am 20. Januar die US-Hilfen streichen wird.
Im Wahlkampf hatte Trump zudem angekündigt, noch vor seinem Amtsantritt den Ukraine-Krieg binnen "24 Stunden" zu beenden. Die Ukraine befürchtet daher, Trump könnte sie zur Abgabe eines großen Teils des von Russland besetzten Territoriums zwingen.
Der ukrainische Chef-Diplomat Sybiha warnte den Westen davor, die Ukraine zu Zugeständnissen gegenüber Russland zu zwingen. "Jeder muss begreifen, dass ein Appeasement des Agressors nicht funktionieren wird", sagte er unter Anspielung auf die britische Beschwichtigungspolitik gegenüber Adolf Hitler vor dem Zweiten Weltkrieg. "Wir brauchen echten Frieden, nicht Appeasement, das noch mehr Krieg bringen wird."
Dem ukrainischen Außenminister zufolge bringen Veränderungen wie Trumps Wahlsieg zudem auch "Hoffnung und eine Chance, eine Chance, den Frieden schneller herbeizuführen". Die ukrainische Regierung hat laut Sybiha bereits Kontakte zu Trumps Team aufgenommen; in den Gesprächen gehe es auch um ein mögliches Treffen von Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.
Borrell sagte mit Blick auf Trumps Wahlsieg: "Niemand weiß genau, was die neue Regierung tun wird." Der EU-Außenbeauftragte wies zudem darauf hin, dass US-Präsident Joe Biden noch zwei Monate im Amt sei, um Entscheidungen zu treffen. Der Demokrat Biden gilt als enger Verbündeter und Unterstützer der Ukraine.
Die Europäer müssten dennoch, "diese Gelegenheit nutzen, um ein stärkeres und geeintes Europa aufzubauen", mahnte der EU-Außenbeauftragte. "Wir müssen mehr tun und das schneller, mehr militärische Unterstützung, mehr Ausbildungskapazitäten, mehr Geld, schnellere Lieferungen", fügte Borrell hinzu und sprach sich überdies dafür aus, dass die EU-Länder der Ukraine erlauben, von ihnen gelieferte Waffen auch für Angreife tief im Inneren Russlands zu nutzten. Dies lehnt unter anderem die Bundesregierung ab.
Auch aus Borrells Sicht kommt eine Beendigung des Ukraine-Kriegs auf dem Verhandlungsweg derzeit nicht in Frage. Russlands Staatschef Wladimir Putin "will nicht verhandeln und wird nicht verhandeln, bis er nicht dazu gezwungen ist", sagte er.
Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022 hat Europa laut dem Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) rund 125 Milliarden Dollar (umgerechnet 117 Milliarden Euro) für die Unterstützung der Ukraine ausgegeben. Die USA übermittelten demnach Hilfen in Höhe von 90 Milliarden Dollar.
Borrell sagte, es sei Sache der EU-Länder zu entscheiden, "wann und wie sie ihre Unterstützung bei Bedarf aufstocken". Bei einem Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs am Freitag in Budapest habe sich jedoch eine Mehrheit der Mitgliedstaaten für eine Fortführung der Unterstützung der Ukraine ausgesprochen. Es gibt allerdings auch Widerstand gegen die Ukraine-Hilfe, insbesondere von Ungarn, das derzeit den rotierenden EU-Ratsvorsitz inne hat.
Borrell ist seit Ende 2019 Außenbeauftragter und EU-Vizekommissionspräsident. Er gibt das Amt spätestens Ende November ab. Ihm soll die bisherige estnische Regierungschefin Kaja Kallas nachfolgen.
(M.Travkina--DTZ)