Nach Trump-Sieg: Europäer beraten mit Selenskyj - ohne Scholz
Einen Tag nach dem Sieg von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen haben Europas Staats- und Regierungschefs über die Konsequenzen für die Sicherheit und Verteidigung beraten. Teilnehmer des Gipfels der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) warnten am Donnerstag in der ungarischen Hauptstadt Budapest vor einer Schwächung Europas und einem "Wirtschaftskrieg" mit den USA. Der Bruch der Ampel-Koalition in Berlin löste Sorge über eine politische Lähmung der EU aus. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verpasste wegen der innenpolitischen Krise einen großen Teil der Beratungen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nutzte seine Teilnahme an dem Gipfel zu einem Frontalangriff gegen den Gastgeber, den ungarischen Regierungschef Viktor Orban. Einige im Raum drängten die Ukraine zu Zugeständnissen an den russischen Staatschef Wladimir Putin, sagte Selenskyj. "Das ist inakzeptabel für die Ukraine und selbstmörderisch für ganz Europa."
Orban hatte mit einer selbst erklärten "Friedensmission" und einem Besuch bei Kreml-Chef Wladimir Putin im Juli scharfe Kritik der Ukraine und der EU-Partner auf sich gezogen. Orban will wie Trump zudem eine schnelle Verhandlungslösung mit Putin zur Ukraine. Andere in der EU fürchten dagegen einen "Diktatfrieden" mit massiven Gebietsverlusten für Kiew.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte in Budapest, die "Autokraten dieser Welt" müssten von dem Gipfel "eine ganz klare Botschaft erhalten, dass nicht das Recht des Stärkeren gilt". Europa müsse seine Zukunft zudem selbst in die Hand nehmen und seine Verteidigungsfähigkeit ausbauen.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron betonte, die Europäer müssten ihre Geschichte künftig selbst schreiben und sie nicht Mächten wie den USA, Russland und China überlassen. Der belgische Regierungschef Alexander De Croo sagte, die EU könne ihre Sicherheit nach Trumps Wahlsieg nicht länger an die USA "auslagern". Er spielte damit auf die US-Atomwaffen an, die unter anderem in Deutschland lagern.
Der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis rief die Europäer auf, aus ihrer "geopolitischen Naivität zu erwachen". Die EU könne mit Trump nicht aus einer Position der Schwäche verhandeln. Österreichs Kanzler Karl Nehammer sagte, die EU müsse einen "Wirtschaftskrieg" mit den USA abwenden. Trump hatte im Wahlkampf Zollaufschläge von bis zu 20 Prozent für Produkte unter anderem aus Europa angekündigt.
Nato-Generalsekretär Mark Rutte äußerte sich in Budapest erneut überzeugt, mit Trump eine transatlantische Lösung finden zu können. Der Republikaner hatte den Nato-Verbündeten gedroht, den Beistandspakt aufzukündigen, wenn sie ihre Verteidigungsausgaben nicht erhöhten. Den Ukraine-Krieg will er durch einen Deal mit Russlands Präsident Wladimir Putin binnen "24 Stunden" beenden.
Angesichts der schwierigen Weltlage äußerten sich mehrere Gipfelteilnehmer besorgt über das Platzen der Berliner Koalition. "Europa ist nicht stark ohne ein starkes Deutschland", sagte EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola.
Finnland und Luxemburg äußerten die Hoffnung auf schnelle Neuwahlen in Deutschland, da Europa sonst nur eingeschränkt handlungsfähig sei. Der luxemburgische Regierungschef Luc Frieden beklagte die "Instabilität" in Deutschland und zwei weiteren EU-Gründerländern. In Deutschland, Frankreich und Belgien gebe es "derzeit keine Regierung mit einer Mehrheit im Parlament", stellte er fest.
Die Europäische Politische Gemeinschaft war nach der russischen Invasion in der Ukraine 2022 gegründet worden und soll eigentlich Russlands Isolation verdeutlichen. Ihr gehören die 27 EU-Länder an sowie 20 weitere Staaten von Albanien bis zur Ukraine. Neben Orban pflegen allerdings auch andere Gipfelteilnehmer Kontakte zu Putin. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte Ende Oktober an einem Gipfel der sogenannten Brics-Staaten unter Putins Leitung teilgenommen.
Am Donnerstagabend wollten die EU-Staats- und Regierungschefs bei einem Arbeitsessen über die Wahlen in Georgien und Moldau sprechen. Dazu wurde Scholz erwartet. Am Freitag wollten die EU-Länder auf einem informellen Gipfeltreffen über die Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit sprechen.
(U.Kabuchyn--DTZ)