Finale im US-Wahlkampf: Harris und Trump werben um noch Unentschlossene
Schlussspurt vor einer Wahl mit potenziell weitreichenden Folgen für die USA und die Welt: Am letzten Wahlkampf-Wochenende haben die US-Präsidentschaftskandidaten Kamala Harris und Donald Trump nochmals intensiv um die möglicherweise entscheidende Gruppe der unentschlossenen Wählerinnen und Wähler geworben. Die Demokratin setzte dabei erneut auf ihr Plädoyer für das Recht auf Abtreibung, ihr republikanischer Kontrahent wiederholte seine wütenden Attacken gegen Migranten und beschimpfte Harris erneut als unintelligent.
Erneut fokussierten Harris und Trump ihre Kampagnen auf die "Swing States". Dies ist die kleine Gruppe von Bundesstaaten, die aufgrund der Besonderheiten des US-Wahlsystems bei dem Urnengang am Dienstag voraussichtlich den Ausschlag geben werden.
Vizepräsidentin Harris trat am Samstag in North Carolina und Georgia auf, für Sonntag plante sie drei Auftritte in Michigan. Ex-Präsident Trump hielt Kundgebungen in North Carolina wie auch in Virginia ab - wobei Virginia allerdings von den Demoskopen nicht zu den Swing States gezählt wird, sondern ein Sieg von Harris dort als relativ sicher gilt. Am Sonntag wollte Trump dann in Pennsylvania, North Carolina und Georgia auftreten.
Mehr als 75 Millionen Wähler hatten bis zum Wochenende allerdings bereits ihre Stimmen abgegeben - indem sie entweder die Option der Frühwahl in Wahllokalen nutzten oder sich per Briefwahl beteiligten. Da alle Umfragen ein extrem knappes Rennen voraussagen, gelten allerdings die Stimmen der bisher noch Unentschlossenen als besonders wichtig.
Einen Hoffnungsschub erhielt Harris durch eine Umfrage aus Iowa: Demnach lag sie in dem Bundesstaat im Mittleren Westen überraschend drei Prozentpunkte vor Trump, der dort 2016 und 2020 klar gewonnen hatte. Iowa galt dem Republikaner bislang auch diesmal als sicher und wurde nicht zu der engeren Gruppe der Swing States gerechnet.
Harris warnte in ihrer Rede am Samstag in Atlanta in Georgia erneut vor Gefahren für die US-Demokratie bei einem Sieg Trumps. Sie beschrieb ihren Rivalen als "zunehmend instabilen" Menschen, der "von Rache besessen" sei und nach "ungezügelter Macht" strebe.
Auch wandte sich Harris nochmals besonders eindringlich an Frauen, von denen sie sich einen starken Zuspruch erhofft. Die 60-Jährige wiederholte ihren Vorwurf, dass Trump Abtreibungen landesweit verbieten und den Zugang zu Geburtenkontrolle beschränken wolle.
Das Abtreibungsthema spielt im diesjährigen Wahlkampf eine besonders starke Rolle, nachdem der Oberste Gerichtshof im Jahr 2022 das landesweite Recht auf den Schwangerschaftsabbruch gekippt hatte. Trump hatte dieser Entscheidung den Weg gebahnt, indem er drei erzkonservative Richter für den Supreme Court nominiert hatte. In Washington gingen am Samstag laut Schätzungen rund 15.000 Menschen bei einem "National Women's March" für Frauen- und Abtreibungsrechte auf die Straße.
Trump diffamierte seine Gegnerin Harris unterdessen bei einem Auftritt in Salem in Virginia erneut als "dumm" und mit einem "niedrigen IQ" geschlagen. Bei ihrem Wahlsieg drohe dem Land eine wirtschaftliche Depression: "Wollt ihr eure Jobs und vielleicht auch euer Haus und eure Rente verlieren?", fragte er seine Anhänger.
Auch setzte der Rechtspopulist erneut auf seine Scharfmacherei gegen Migranten, die er pauschal als Kriminelle verunglimpft und in Massen abschieben will. Unter Verwendung ultrarechter Rhetorik kündigte er an, dass er "Amerika für die amerikanischen Bürger bewahren" wolle.
Der Wahl wird aus mehrfachen Gründen eine historische Tragweite beigemessen. Harris wäre die erste Frau und Afroamerikanerin an der Spitze der Vereinigten Staaten. Auch wäre die Tochter eines Jamaikaners und einer Inderin das erste US-Staatsoberhaupt mit asiatischen Wurzeln.
Bei einer Rückkehr Trumps ins Weiße Haus wiederum wird von vielen befürchtet, dass der Rechtspopulist sich über die Gewaltenteilung hinwegsetzen und damit der US-Demokratie schweren Schaden zufügen könnte.
Der Wahl wird zudem große Bedeutung für den außenpolitischen Kurs der USA beigemessen. Von Harris ist zu erwarten, dass sie am europafreundlichen Kurs des scheidenden Präsidenten Joe Biden festhält, während Trump den Nato-Beistandspakt wie auch US-Militärhilfen für die Ukraine in Frage gestellt hat.
Auch will sich Trump nicht darauf festlegen, dass er eine Wahlniederlage akzeptieren würde - was die Furcht vor Gewalt schürt. In Washington wurde bereits die Polizeipräsenz verstärkt. Im Zentrum der Hauptstadt verrammelten Büros und Geschäfte ihre Fenster mit Sperrholzplatten.
Vor vier Jahren hatte Trump nach seiner Wahlniederlage unhaltbare Betrugsvorwürfe erhoben - Washington erlebte daraufhin einen Gewaltexzess, als eine von Trump aufgestachelte Menge am 6. Januar 2021 das Kapitol erstürmte.
Trotz des überaus aggressiven Wahlkampfs setzte Harris in der Schlussphase auch auf Humor. Bei einem Überraschungsaufritt in der Fernseh-Comedyshow "Saturday Night Live" veräppelte sie sich selbst, indem sie ihr eigenes Spiegelbild darstellte, während Schauspielerin Maya Rudolph die Vizepräsidentin spielte.
(L.Møller--DTZ)