Überlebende der Atombombenabwürfe auf Japan erhalten Friedensnobelpreis
Mit dem Friedensnobelpreis wird in diesem Jahr die japanische Organisation Nihon Hidankyo geehrt, die sich für eine Welt ohne Atomwaffen einsetzt. Die Gruppe von Überlebenden der US-Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki im Jahr 1945 verbreite mit ihren Augenzeugenberichten die Botschaft, "dass Atomwaffen nie wieder eingesetzt werden dürfen", erklärte das Nobelkomitee am Freitag in Oslo. Die Entscheidung des Nobelkomitees wurde von der UNO und EU wie auch der Bundesregierung begrüßt.
Der Ko-Vorsitzende von Nihon Hidankyo, Toshiyuki Mimaki, reagierte überrascht auf die Auszeichnung. "Ich hätte mir nie träumen lassen, dass dies geschehen könnte", sagte Mimaki vor Reportern in Tokio mit Tränen in den Augen.
Der Nobelkomitee-Vorsitzende Jörgen Watne Frydnes nannte es in Oslo "alarmierend", dass das Tabu gegen einen neuerlichen Atomwaffeneinsatz derzeit "unter Druck geraten" sei. "Ein nuklearer Krieg könnte unsere Zivilisation zerstören", warnte er.
Russland hat seit Beginn seines Angriffskriegs gegen die Ukraine wiederholt mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht. Ende September stellte Kreml-Chef Wladimir Putin eine erweiterte Atomwaffendoktrin vor, die bei massiven Luftangriffen auf russisches Territorium einen erleichterten Einsatz des russischen Atomwaffenarsenals vorsieht.
Auch Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un drohte vergangene Woche, sein Land werde Atomwaffen "ohne Zögern" einsetzen, wenn es von Südkorea oder den USA angegriffen werde.
Die diesjährige Vergabe des Friedensnobelpreises erinnere an die Notwendigkeit, das "nukleare Tabu" aufrechtzuerhalten, sagte der Komitee-Vorsitzende Frydnes. "Und wir alle haben eine Verantwortung, insbesondere die Atommächte." Frydnes verwies darauf, dass im kommenden Jahr die 80. Jahrestage der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki begangen werden. Er warnte, heutige Atomwaffen hätten eine weitaus größere Zerstörungskraft als die damals eingesetzten Bomben.
UN-Generalsekretär António Guterres rief nach der Verkündung der Nobelpreis-Entscheidung zur weltweiten und vollständigen Abschaffung von Atomwaffen auf: "Es ist Zeit für die führenden Staatenlenker, so weitsichtig zu sein wie die Hibakusha und die Atomwaffen als das anzusehen, was sie sind: Werkzeuge des Todes, die keinen Schutz und keine Sicherheit bieten". Als "Hibakusha" werden in Japan die Überlebenden der Atombomben-Abwürfe bezeichnet.
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mahnte zur nuklearen Abrüstung. Die Auszeichnung von Nihon Hidankyo erinnere daran, "dass wir alles daransetzen müssen, die Bedingungen für eine Welt ohne Nuklearwaffen zu schaffen", schrieb der Kanzler im Onlinedienst X.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nannte die Nobelpreis-Entscheidung eine "starke Botschaft". Die Weltgemeinschaft müsse die Erinnerung an Hiroshima und Nagasaki wachhalten und habe die "Pflicht, künftige Generationen vor dem Horror eines Atomkriegs schützen", schrieb sie im Onlinedienst X.
Hiroshimas Bürgermeister Kazumi Matsui erklärte, es gebe immer weniger Überlebende der Atombomben-Angriffe, die "Zeugnis von der Sinnlosigkeit des Besitzes von Atombomben und deren absolutem Übel ablegen können". Laut Mimaki sind die Mitglieder seiner 1956 gegründeten Gruppe im Schnitt 85 Jahre alt.
Am 6. August 1945 hatte ein Bomber der US-Armee eine Atombombe über Hiroshima abgeworfen. Unmittelbar danach und in den ersten Monaten nach dem Angriff starben etwa 140.000 Menschen, in den folgenden Jahren tötete die radioaktive Strahlung weitere 60.000 Menschen. Drei Tage nach dem Abwurf über Hiroshima tötete der Einsatz einer zweiten US-Atombombe in Nagasaki mehr als 70.000 weitere Menschen. Die Atombombenabwürfe führten zur Kapitulation Japans im Zweiten Weltkrieg.
Der Friedensnobelpreis wird am 10. Dezember bei einer Zeremonie in Oslo verliehen. Er ist mit elf Millionen schwedischen Kronen (rund 970.000 Euro) dotiert.
In früheren Jahren war die Auszeichnung bereits mehrfach für Bemühungen um eine globale Abrüstung vergeben worden. 1985 ging der Preis an die Organisation Ärzte gegen den Atomkrieg (IPPNW), auch die Anti-Atomwaffen-Bewegung Pugwash (1985), die Internationale Atomenergiebehörde IAEA (2005) und die 2017 ausgezeichnete Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (Ican) zählen zu den Preisträgern.
(W.Uljanov--DTZ)