Deutsche Tageszeitung - Weiter Eskalation im Libanon: Hisbollah und Israel überziehen sich mit Angriffen

Weiter Eskalation im Libanon: Hisbollah und Israel überziehen sich mit Angriffen


Weiter Eskalation im Libanon: Hisbollah und Israel überziehen sich mit Angriffen
Weiter Eskalation im Libanon: Hisbollah und Israel überziehen sich mit Angriffen / Foto: © AFP

Nach der Tötung zweier hochrangiger Hisbollah-Kommandeure in Beirut hat die pro-iranische Hisbollah ihre Angriffe auf Israel erneut verstärkt. Aus dem Libanon seien allein am Sonntagmorgen mehr als 100 Geschosse auf Israel abgefeuert worden, erklärte die israelische Armee. Als Reaktion auf den Raketenbeschuss seien "Ziele der Terrororganisation Hisbollah im Südlibanon" ins Visier genommen worden. Armeesprecher Nadav Schoschani sagte der Nachrichtenagentur AFP, dass im Norden Israels "hunderttausende Menschen Schutz in Bunkern" gesucht hätten.

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Laut israelischer Armee wurden in der Nacht bis Sonntagmorgen rund 150 Raketen und Drohnengeschosse auf Israel abgefeuert, die meisten aus dem Libanon in Richtung Nordisrael. Feuerwehren waren dabei, durch herabfallende Trümmerteile verursachte Brände zu löschen.

Nach Angaben des israelischen Rettungsdiensts Magen David Adom wurden mindestens vier Menschen durch Granatsplitter verletzt, drei von ihnen nahe der Küstenstadt Haifa. Die Angriffe erinnerten ihn "an den 7. Oktober, als alle zu Hause blieben", sagte der Einwohner Patrice Wolff der AFP mit Blick auf den Tag des beispiellosen Angriffs der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas auf den Süden Israels, der den Gaza-Krieg auslöste.

Das für den Zivilschutz zuständige Heimatfront-Kommando der israelischen Armee verschärfte wegen der zugespitzten Lage seine Richtlinien. Unter anderem ordnete es an, dass Schulen und andere Bildungseinrichtungen in Grenznähe zum Libanon bis Montagfrüh geschlossen bleiben sollten. In Israel beginnt die Woche bereits am Sonntag.

Armeesprecher Schoschani sagte der AFP, die Armee habe mit Gegenangriffen auf Hisbollah-Ziele im Südlibanon reagiert, um "einen größeren Angriff zu verhindern". Das libanesische Gesundheitsministerium teilte am Sonntag mit, dass bei einem "israelischen Angriff" in Grenznähe ein Mensch getötet und ein weiterer verletzt worden sei.

Die Hisbollah erklärte ihrerseits, sie habe Industriekomplexe des israelischen Rüstungsunternehmens Rafael und einen Armeestützpunkt in Haifa "bombardiert". Die sei "eine erste Reaktion" auf die Israel zugeschriebenen Explosionen von Kommunikationsgeräten der Hisbollah, hieß es.

Seit Beginn des Gaza-Kriegs als Folge des Hamas-Angriffs am 7. Oktober hat sich auch der Konflikt zwischen der mit der Hamas verbündeten Hisbollah und Israel zunehmend verschärft. Der Norden Israels steht seit dem 8. Oktober unter Dauerbeschuss der Miliz. Israel reagiert auf die Angriffe auf seinen Norden mit Gegenangriffen im Libanon. Auf beiden Seiten der Grenzen mussten zehntausende Menschen ihr Zuhause verlassen.

Mit der gezielten Tötung hochrangiger Hisbollah-Kommandeure durch die israelische Armee im Libanon sowie der Israel zugeschriebenen Explosion von hunderten Pagern und Walkie-Talkies der Hisbollah spitzte sich die Lage in den vergangenen Tagen dann deutlich zu. Am Freitag fügte die israelische Armee der Hisbollah mit der gezielten Tötung von zwei ranghohen Kommandeuren einen schweren Schlag zu. Außer dem Chef der Hisbollah-Eliteeinheit Radwan, Ibrahim Akil, wurde bei dem Angriff in einem südlichen Vorort der libanesischen Hauptstadt Beirut auch der hochrangige Radwan-Kommandeur Ahmed Mahmud Wahbi getötet, wie die Hisbollah am Samstag mitteilte. Die Radwan ist für die Bodeneinsätze der Hisbollah verantwortlich.

Nach Angaben der israelischen Armee hatten sich die Hisbollah-Kommandeure zur Zeit des Angriffs bei einem Treffen "im Untergrund im Herzen eines Wohnviertels" aufgehalten. Nach libanesischen Regierungsangaben stürzte ein Wohngebäude nach dem Luftangriff ein.

Laut der Hisbollah wurden bei dem Angriff insgesamt 16 ihrer Kommandeure getötet. Das libanesische Gesundheitsministerium teilte mit, insgesamt seien durch den Angriff mindestens 45 Menschen getötet worden, darunter drei Kinder und sieben Frauen.

Nach israelischen Angaben hatten die Hisbollah-Kommandeure einen Angriff auf den Norden Israels geplant, bei dem sie "israelische Gemeinden infiltrieren und unschuldige Zivilisten ermorden wollten" - ähnlich wie beim Hamas-Großangriff am 7. Oktober.

Armeesprecher Daniel Hagari sagte am Samstagabend, dass Israel "einen umfassenden Angriff im Südlibanon lanciert" habe. Zuvor seien "Vorbereitungen der Hisbollah für einen Beschuss des israelischen Territoriums erkannt" worden. Mit dem Einsatz würden "Bedrohungen gegen die Bürger Israels eliminiert". Bereits zuvor am Samstag hatte die israelische Armee bekanntgegeben, tausende Raketenabschussrampen im Südlibanon zerstört zu haben. Sie hätten "für den sofortigen Abschuss in Richtung des israelischen Territoriums" bereitgestanden.

Israels Armee meldete am Sonntag zudem Angriffe aus dem Irak. Während der Nacht hätten sich "mehrere verdächtige Luftziele" aus Richtung des Irak Israel genähert, die abgefangen worden seien, teilte die Armee mit. Pro-iranische Gruppierungen im Irak reklamierten einen Drohnenangriff auf Israel für sich.

Die Bundesregierung reagierte mit "großer Sorge" auf den eskalierenden Konflikt und mahnte, die Auseinandersetzung zwischen Israel und der Hisbollah dürfe nicht zu einem "regionalen Flächenbrand" werden. "Die Menschen im Libanon leben in Angst und Schrecken wegen einer Auseinandersetzung, mit der weite Teile der Bevölkerung nichts zu tun haben", erklärte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Samstag. Nach den USA forderte am Sonntag auch Jordanien seine Staatsangehörigen auf, den Libanon zu verlassen.

Die Eskalation im Nahen Osten dürfte auch bei der UN-Generaldebatte, die am Dienstag in New York beginnt, ein bestimmendes Thema sein. Der libanesische Ministerpräsident Nadschib Mikati erklärte am Samstag, dass er angesichts der "israelischen Aggression gegen den Libanon" seine Reise zur UN-Generaldebatte absage.

(S.A.Dudajev--DTZ)

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