"Gelbwesten"-Bewegung verliert am fünften Protest-Samstag an Schwung
Unter dem Eindruck des Anschlags von Straßburg und der Zugeständnisse der Regierung hat die Protestbewegung der "Gelbwesten" in Frankreich deutlich an Schwung eingebüßt. Landesweit nahmen am fünften Protest-Samstag in Folge nach Angaben des Innenministeriums rund 66.000 Aktivisten teil, etwa halb so viele wie vor einer Woche. In der Hauptstadt Paris blieb es weitgehend friedlich, die Zahl der Festnahmen sank von rund tausend auf 179. Die Regierung rief dazu auf, die Proteste nun ganz einzustellen.
Innenminister Christophe Castaner zeigte sich zufrieden: "Der Tag endet gut", schrieb er im Kurzbotschaftendienst Twitter. Unverständnis zeigte er für die Fortsetzung der Straßenblockaden durch die "Gelbwesten". "Die Verkehrskreisel müssen freigegeben werden", schrieb Castaner. "Der Dialog muss nun alle diejenigen vereinen, die Frankreich verändern wollen."
Der Präsident der französischen Nationalversammlung, Richard Ferrand, sprach von einem "notwendigen" Rückgang der Teilnehmerzahlen. "Es wurde deutlich auf ihre Forderungen eingegangen", erklärte er mit Blick auf die Ankündigungen von Präsident Emmanuel Macron von vor wenigen Tagen, darunter eine Erhöhung des Mindestlohns. "Die Zeit des Dialogs ist gekommen."
Anders als in den Vorwochen war es am Samstag auf den Straßen von Paris zu keinen bürgerkriegsähnlichen Zuständen gekommen. Am Mittag standen laut Innenministerium 2200 Demonstranten rund 8000 Sicherheitskräften gegenüber. Am vergangenen Samstag waren in Paris 10.000 "Gelbwesten" auf die Straße gegangen.
Vereinzelt setzten die Sicherheitskräfte Tränengas ein. Neun Demonstranten wurden nach Angaben der Polizeipräfektur verletzt. 179 Menschen wurden demnach in Paris vorläufig festgenommen, 144 Menschen kamen in Polizeigewahrsam. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurden aber bereits ab Samstagabend dutzende Aktivisten wieder aus dem Polizeigewahrsam entlassen. Am vergangenen Wochenende waren allein in Paris mehr als 1000 Menschen vorübergehend festgenommen worden.
Der Eiffelturm sowie der Louvre und andere Museen waren geöffnet - anders als noch vor einer Woche. Auch Cafés und Geschäfte im Pariser Stadtzentrum waren wieder geöffnet.
Auch in den anderen Landesteilen flauten die Proteste merklich ab. Stabil blieb die Teilnehmerzahl lediglich in den Städten Toulouse und Bordeaux, wo jeweils rund 4500 "Gelbwesten" protestierten. Hier kam es auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen: Demonstranten warfen Gegenstände auf die Polizei - die reagierte mit dem Einsatz von Wasserwerfern und Tränengas. Auch in Nantes gab es Zusammenstöße.
Allerdings wurden auch am Samstag und in der Nacht zuvor wieder zahlreiche Straßen in Frankreich von Demonstranten blockiert. In Belgien kam es am Freitagabend zu einem Todesfall in Zusammenhang mit den Protesten. Ein Autofahrer starb, nachdem er in einen Lastwagen gefahren war, der aufgrund einer Straßensperre der "Gelbwesten" auf französischer Seite abgebremst hatte.
Aktivisten zeigten sich ernüchtert über die nachlassende Mobilisierung. "Wir hatten ein bisschen mehr Leute erwartet", sagte Francis Nicolas, der in Lyon demonstrierte. Andere "Gelbwesten" kündigten jedoch die Fortsetzung der Proteste bis zur vollständigen Erfüllung ihrer Forderungen durch die Regierung an.
Die Regierung hatte zuvor an die "Gelbwesten" appelliert, angesichts der angespannten Sicherheitslage auf weitere Proteste zu verzichten. Macron hatte am vergangenen Montag als Reaktion auf die Proteste auch eine Reihe von Zugeständnissen gemacht - neben der Erhöhung des Mindestlohns unter anderem auch steuerfreie Jahresend-Zahlungen. Dennoch sinkt die Zustimmung zur Politik des Präsidenten weiter. In einer am Sonntag im "Journal du dimanche" veröffentlichten Umfrage sagten 76 Prozent der Befragten, sie seien mit der Arbeit Macrons "unzufrieden" (plus drei Prozentpunkte). Nur 23 Prozent sind demnach "zufrieden" mit ihrem Staatschef.
(V.Sørensen--DTZ)