Ringen um Kurs in der Klimapolitik sorgt für weitere Verzögerungen in Kattowitz
Im Ringen um den Kurs in der internationalen Klimapolitik haben sich die Verhandlungen bei der UN-Klimakonferenz in Kattowitz weiter verzögert. Die abschließende Plenumssitzung, bei der die Konferenzbeschlüsse abgesegnet werden sollen, wurde am Samstagmorgen auf den Nachmittag verschoben. Ursprünglich hatte die Konferenz am Freitagabend enden sollen. Es gab jedoch noch zu viel Verhandlungsbedarf, etwa zu den Transparenzbestimmungen im sogenannten Regelbuch und zur Klima-Finanzierung.
EU-Klimakommissar Miguel Arias Cañete schrieb am Morgen im Kurzbotschaftendienst Twitter, der neueste Textentwurf für die Konferenzbeschlüsse sei soeben vorgelegt worden. "Eine Einigung, um das Paris-Abkommen funktionsfähig zu machen, ist in Reichweite."
Der Vorsitzende der Gruppe der am wenigsten entwickelten Länder, Gebru Jember Endalew, sagte der Nachrichtenagentur AFP, es gebe "eine Landezone" für einen "Kompromiss". Die als Unterhändlerin eingesetzte spanische Umweltministerin Teresa Ribera sagte AFP, sie sei "optimistisch", es gebe aber noch "kleine Brände".
Vom Politischen Geschäftsführer der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch, Christoph Bals, hieß es, die Verhandlungen seien "jetzt an einem kritischen Punkt, nachdem es durchaus wichtige Fortschritte in der letzten Nacht gab".
Die 24. UN-Klimakonferenz hatte am 2. Dezember begonnen und ist eine wichtige Etappe in den internationalen Klimaverhandlungen. Die Delegierten sollen unter anderem das sogenannte Regelbuch fertigstellen, das die konkrete Umsetzung des Ende 2015 vereinbarten Pariser Klimaabkommens festlegen soll.
Zu den Knackpunkten in Kattowitz gehören die Transparenzregeln im Regelbuch. Dabei geht es darum, wie die nationalen Klimaziele der einzelnen Länder künftig eingereicht und überprüft werden. Auch der Umgang mit den Schäden und Verlusten durch den Klimawandel in den ärmsten Ländern war in Kattowitz hoch umstritten.
Der Klimaexperte der Entwicklungsorganisation Care, Sven Harmeling, sagte, er sehe bei den Verhandlungen "noch zwei große Baustellen". Zum einen müsse bei den Finanzhilfen der Industrieländer für den Umgang mit dem Klimawandel in den Entwicklungsländern noch geklärt werden, welche Beträge angerechnet werden. So muss festgelegt werden, ob bei Krediten beispielsweise für klimafreundliche Solaranlagen in einem Entwicklungsland die gesamte Darlehenssumme oder nur der vom Industrieland gewährte Zuschuss gezählt wird.
Als zweiten zentralen Streitpunkt nannte Harmeling den Umgang mit dem IPCC-Sonderbericht zum 1,5-Grad-Ziel. Die kleinsten Inselstaaten, andere Entwicklungsländer und auch die EU wollen die alarmierenden Befunde des Berichts als Grundlage der Klimapolitik anerkennen. Dagegen sperrten sich aber insbesondere die USA und Saudi-Arabien.
Schwierig gestalteten sich außerdem die Verhandlungen über den sogenannten Artikel 6 im Regelbuch zur Einbeziehung von Marktmechanismen wie dem Emissionshandel. Dabei ging es unter anderem um die Frage, wie Doppelzählungen von Maßnahmen zur Reduzierung von Treibhausgasen vermieden werden können. Diese Gefahr besteht etwa, wenn ein Land zur Emissionsminderung ein Aufforstungsprojekt in einem anderen Land finanziert und sich beide Länder den Nutzen für das Klima anrechnen lassen wollen.
Die US-Umweltorganisation Environmental Defense Fund erklärte, Brasilien habe darauf hingearbeitet, die Formulierungen im Regelbuch zur Vermeidung von Doppelzählungen bei der Berechnung der Emissionsminderung zu verwässern. Dagegen sperren sich aber die EU und Deutschland.
Aus mit den Verhandlungen vertrauten Kreisen erfuhr AFP, die Schweiz wolle anders als die meisten anderen Länder nicht zustimmen, die Verhandlungen über Artikel 6 ins kommende Jahr zu verschieben, wenn Brasilien nicht einlenke. Dabei dürfte es eine Rolle spielen, dass im Januar in Brasilien eine klimaskeptische Regierung unter dem rechtsradikalen Präsidenten Jair Bolsonaro antritt und die Verhandlungen mit dem Amazonas-Staat dann noch schwieriger werden dürften.
(M.Dylatov--DTZ)