US-Wahlkampf: Scholz warnt vor riskanten Entwicklungen
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat mit Blick auf den Präsidentschaftswahlkampf in den USA vor riskanten Entwicklungen gewarnt. "Wir sehen, dass in Amerika die Unsicherheit wächst – wie übrigens in vielen wohlhabenden Gesellschaften des Nordens", sagte er dem Nachrichtenportal t-online in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview. Aus der Union, aber auch aus der Kanzlerpartei SPD kamen indes Forderungen nach der Aufnahme von Gesprächen mit dem republikanischen Präsidentschaftsbewerber Donald Trump.
Scholz betonte, dass die Entwicklungen in den USA auch Folgen für Deutschland hätten. "Die USA sind die Weltmacht Nummer eins und unser wichtigster Bündnispartner – alles, was dort passiert, ist für uns wichtig", sagte der Kanzler. Mit Blick auf einen möglichen Wahlsieg Trumps fügte er hinzu: "Regierungswechsel gehören zur Demokratie. Insofern bereiten wir uns selbstverständlich auf alle Eventualitäten vor, aber sprechen natürlich öffentlich nicht über das Wie."
Deutschland pflege enge Beziehungen zu den USA – politisch, wirtschaftlich und kulturell. Auch wenn Trump die Wahl gewinnen sollte, werde er sich weiter darum bemühen, fuhr Scholz fort. Deutschland sei das größte und wirtschaftlich stärkste Land Europas. "Daraus erwächst eine Verantwortung. Diese Verantwortung werden wir tragen, auch ich als Kanzler werde das tun."
Am Rande des Treffens der Europäischen Politischen Gemeinschaft im britischen Woodstock bekräftigte der Bundeskanzler die Stabilität der Beziehungen mit den USA: Er sei sich "ganz sicher", dass die transatlantische Zusammenarbeit "auch weitere Jahrzehnte gut funktioniert".
Angesichts von Trumps möglichem Wahlsieg forderte die Union Scholz zu Gesprächen mit dem republikanischen Bewerber auf. "Eine Bundesregierung, die nicht enge Kontakte zum Amtsinhaber und gleichzeitig zur Opposition in Washington pflegt, hat ihren Job verfehlt", sagte Unions-Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) der "Augsburger Allgemeinen". "Ich bin mir sicher, dass sich Helmut Schmidt in dieser Situation längst mit dem Trump-Team getroffen hätte – und sei es nur auf eine Zigarettenlänge", sagte der CDU-Politiker mit Blick auf den 2015 verstorbenen SPD-Altkanzler.
Im Interesse des eigenen Landes seien Gesprächskanäle unverzichtbar, betonte Frei. "Amerika ist der wichtigste sicherheits- und wirtschaftspolitische Partner Deutschland." Wer sich selbst moralisch erhöhe und einen aussichtsreichen Kandidaten ignoriere, "hat das Wesen von Diplomatie nicht verstanden".
Ähnliche Äußerungen kamen auch aus der SPD. Der Bundestagsabgeordnete Metin Hakverdi betonte: "Außenpolitik ist nun mal keine Spaßveranstaltung. Wir müssen die deutsch-amerikanischen Beziehungen pflegen." Er besucht in dieser Woche den Nominierungsparteitag der Republikaner in Milwaukee und sagte dazu: "Auf dem Parteitag sind auch nette Menschen unterwegs, die etwas von internationaler Politik verstehen – und nicht nur verstrahlte Trumpisten." Auf dem Parteitag lasse "sich der Puls der Trumpisten fühlen wie nirgendwo anders."
FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner warb für ein stabiles transatlantisches Verhältnis - unabhängig vom Wahlausgang im November in den USA. "Egal, wer im Weißen Haus regiert, wir brauchen ein gutes Verhältnis", sagte Lindner dem Sender RTL. "Wir müssen uns sowohl mit einem Präsidenten Biden als auch mit einem Präsidenten Trump beschäftigen", forderte der FDP-Politiker. "Der Graben darf nicht breiter werden, als der Atlantik geografisch ist."
(I.Beryonev--DTZ)