Regierungsbündnis in Belgien zerbricht an Streit über UN-Migrationspakt
Das Regierungsbündnis in Belgien ist am Streit über den UN-Migrationspakt zerbrochen. Die Minister der flämischen Nationalisten-Partei N-VA erklärten am Sonntag ihren Austritt aus der Viererkoalition, weil Premierminister Charles Michel gegen ihren erklärten Willen auf einer Teilnahme an der UN-Migrationskonferenz in Marrakesch bestand. Michel will das Land nun bis zur Parlamentswahl im Mai mit einer Minderheitsregierung führen.
In einer Krisensitzung am Samstag hatten die Koalitionsparteien ihren wochenlangen Streit nicht beilegen können. N-VA-Chef Bart De Wever sagte nach dem Treffen, wenn seine Partei in der Regierung "keine Stimme" mehr habe, dann habe es auch "keinen Zweck" mehr weiterzumachen. Michel bekräftigte, dass er Belgien "als Chef einer verantwortungsbewussten Koalition" bei der UN-Migrationskonferenz vertreten werde.
Belgiens König Philippe nahm noch am Sonntag die Rücktrittsgesuche der vier N-VA-Kabinettsmitglieder an. Es handelte sich um die Minister für Inneres, Finanzen und Verteidigung sowie um den Staatssekretär für Einwanderung. Premierminister Michel unterbreitete dem König bei einem Treffen seine Personalvorschläge für die Neubesetzung der vakanten Ressorts, wie der Palast mitteilte.
"Ich bedauere, dass es es so weit gekommen ist", sagte Michel im Sender RTL-TVI. Nach dem Rückzug der N-VA führt er nun eine Minderheitsregierung, die von seiner liberalen wallonischen Partei, den flämischen Liberalen und den Christdemokraten getragen wird. Die nächsten regulären Parlamentswahlen sind für Mai nächsten Jahres angesetzt.
Michel kündigte an, er werde den Dialog mit dem Parlament suchen. Der Regierungschef warnte er vor vorgezogenen Neuwahlen und einer politischen Blockade des Landes.
Regierungsbildungen in Belgien gestalten sich unter anderem wegen der sprachlichen und regionalen Unterschiede traditionell schwierig. Die Verhandlungen der aktuellen Koalition zogen sich 2014 über viereinhalb Monate hin. Nach der Wahl 2010 hatte es sogar rund anderthalb Jahre gedauert - ein Weltrekord.
Die Migrationspolitik war immer wieder ein Zankapfel in den vier Regierungsjahren der bisherigen Koalition. Michel hatte am Donnerstag nach einer hitzigen Debatte im Parlament angekündigt, gegen den Willen seines größten Koalitionspartners N-VA zu der UN-Konferenz nach Marokko zu reisen, wo Anfang der Woche der Migrationspakt bestätigt werden soll.
Die migrationskritischen flämischen Nationalisten, die im belgischen Parlament die größte Fraktion stellen, machten seit Wochen Stimmung gegen den UN-Pakt. Dabei hatte die N-VA ihn zunächst unterstützt. Ende Oktober vollzogen die flämischen Nationalisten dann aber eine Kehrtwende und stellten sich gegen ihre Koalitionspartner.
Michel bat daraufhin das Parlament um Stellungnahme zum Migrationspakt. Die Abgeordneten sprachen sich schließlich am Donnerstag mit breiter Mehrheit dafür aus. Neben der N-VA stimmte nur die fremdenfeindliche Partei Vlaams Belang dagegen.
Der im Juli vereinbarte UN-Migrationspakt hatte auch in anderen Ländern Debatten ausgelöst. Die USA hatten sich bereits Ende 2017 aus den Verhandlungen zurückgezogen. Auch andere Staaten, darunter Australien und Israel sowie die EU-Mitglieder Ungarn, Österreich, Polen und Tschechien, lehnen das Abkommen inzwischen ab.
Bei der UN-Konferenz am Montag und Dienstag in Marrakesch soll der Migrationspakt bestätigt werden, bevor er dann am 19. Dezember von der UN-Vollversammlung ratifiziert wird.
Der Pakt umfasst eine Reihe von Leitlinien und Maßnahmen, deren Umsetzung rechtlich nicht bindend ist. Im Kern geht es um eine bessere Zusammenarbeit in der Migrationspolitik und um Standards im Umgang mit Flüchtlingen. Der deutsche Bundestag stellte sich Ende November mit großer Mehrheit hinter das Regelwerk.
Die USA bekräftigten hingegen kurz vor der Konferenz im Marrakesch ihre ablehnende Haltung. Der UN-Pakt "zu Lasten des souveränen Rechts der Staaten" auf ein eigenes Einwanderungssystem, erklärte die Regierung in Washington am Freitag. Sie kritisierte unter anderem eine Formulierung, derzufolge Migranten nur als letztes geeignetes Mittel inhaftiert werden sollten.
(A.Nikiforov--DTZ)