Haftbefehle gegen 467 Rechtsextremisten können nicht vollstreckt werden
In Deutschland können Haftbefehle gegen 467 Rechtsextremisten nicht vollstreckt werden, weil die Beschuldigten nicht aufzufinden sind. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken-Fraktion im Bundestag hervor, die der Nachrichtenagentur AFP am Dienstag in Berlin vorlag. 99 der mutmaßlichen Straftäter wurden demnach Gewaltdelikte zur Last gelegt.
Über die neuen Zahlen hatte am Dienstag zuerst die "Neue Osnabrücker Zeitung" berichtet. Demnach hat die Zahl bis Ende September leicht zugenommen. Ende März hatten sich der Linken-Fraktion zufolge noch 457 gesuchte Neonazis dem Zugriff der Behörden entzogen.
In insgesamt 108 der Ende September registrierten Fälle ging es der Antwort der Regierung zufolge um politisch motivierte Straftaten. Insgesamt lagen zu diesem Zeitpunkt demnach 605 Haftbefehle gegen Rechtsextremisten vor, wobei es gegen einen Teil der Betroffenen mehrere Haftbefehle gab. Enthalten sind zudem zwei Haftbefehle ausländischer Behörden.
Die meisten der Haftbefehle stammen aus dem laufenden Jahr (382), die übrigen vorwiegend aus den Jahren 2017 (120) und 2016 (56). Einzelne der Fahndungen gehen aber bis zum Jahr 2009 zurück.
Die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke rief dazu auf, "die untergetauchten Nazis dingfest zu machen". Die Statistik sei "ein alarmierendes Zeichen dafür, dass die Naziszene gewalttätig und kriminell ist und bleibt". Ihre Bekämpfung müsse "höchste Priorität" haben.
Die Sicherheitsbehörden müssten sich "endlich einmal etwas einfallen lassen, um der flüchtigen Nazis schneller habhaft zu werden", erklärte Jelpke weiter. "Dass für jeden Haftbefehl, der sich erledigt, ein neuer hinzukommt, ist genauso beunruhigend wie die Tatsache, dass es einer dreistelligen Zahl von Neonazis gelingt, sich seit 2017 und teilweise sogar noch länger der Festnahme zu entziehen."
Kritisch äußerte sich auch die Grünen-Innenexpertin Irene Mihalic. "Die Zahl der nicht vollstreckten Haftbefehle, die wegen schwerer Delikte erlassen wurden, ist kein gutes Zeugnis für die Arbeit der Innenminister", sagte sie AFP. Da dieser Befund zudem nicht neu sei, stelle sich auch "die Frage, wie entschieden hier im Bund der Versuch gemacht worden ist, gegenzusteuern".
Für die FDP erklärte deren innenpolitischer Sprecher Konstantin Kuhle: "Diese Zahlen sind Anlass zu großer Sorge - vor allem vor dem Hintergrund einer immer radikaler werdenden rechtsextremen Szene." Kuhle forderte gegenüber AFP die Justiz- und Innenminister der Länder auf, "den Datenaustausch untereinander zu verbessern, um hier einfachere und schnellere Zugriffe zu ermöglichen".
(U.Stolizkaya--DTZ)