Krisengespräche nach Gewalt bei "Gelbwesten"-Protesten in Frankreich
Nach der massiven Gewalt bei Protesten der "Gelbwesten" am Wochenende bemüht sich die französische Regierung um Krisenbewältigung: Regierungschef Edouard Philippe kündigte für Dienstag ein Treffen mit Vertretern der Protestbewegung an und sondierte am Montag mit Oppositionsvertretern politische Antworten. Der Premier stellte für diese Woche weitere "Maßnahmen" in Aussicht, ohne Details zu nennen.
Präsident Emmanuel Macron hatte Philippe beauftragt, nach einem ergebnislosen ersten Treffen mit "Gelbwesten"-Vertretern vom Freitag weitere Gespräche zu führen. Am Montag traf Philippe zunächst mit der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo und dem Parteichef der Sozialisten, Olivier Faure, zusammen.
Faure warf der Regierung nach dem Treffen vor, weiter "keine Antwort" auf die Krise zu haben. Ihr sei aber erstmals das Ausmaß der "Gelbwesten"-Proteste bewusst geworden. Der Sozialisten-Chef forderte unter anderem, die zum 1. Januar angekündigte Ökosteuer auf Diesel auf Eis zu legen und die von Macron abgeschaffte Vermögensteuer wieder einzuführen. Dafür müsse der Präsident aber "vom Olymp herabsteigen".
Wirtschaftsminister Bruno Le Maire sprach sich allgemein für "weitere Steuersenkungen" aus, um den Aktivisten entgegenzukommen. Zugleich müsse die Regierung aber auch an ihrem Kurs festhalten, die staatlichen Ausgaben zu senken.
Regierungssprecher Benjamin Griveaux sagte dem Sender France Info, "eine kleine Geste" reiche gegen die Proteste nicht aus, es gehe um strukturelle Probleme im Land. Die Proteste hatten sich an der Ökosteuer auf Diesel entzündet, die zum Januar eingeführt wird, sowie an hohen Lebenshaltungskosten.
Die sieben französischen Polizeigewerkschaften forderten ein Dringlichkeitstreffen mit Macron. Darin müsse es um den "Ernst der Lage" gehen und um wirksamere Strategien gegen die Gewalt, erklärten Gewerkschaftsvertreter gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.
Für Samstag sind weitere Proteste der "Gelbwesten" angekündigt. Die Gewerkschaft CGT rief zudem für den 14. Dezember zu einem "großen Aktionstag" gegen die sinkende Kaufkraft auf.
Bei den Ausschreitungen vom Wochenende waren landesweit gut 260 Menschen verletzt worden, in Paris spielten sich chaotische Szenen ab. Die Polizei nahm 378 Verdächtige in Gewahrsam, rund 140 wurden einem Richter vorgeführt. Landesweit beteiligten sich nach Angaben des Innenministeriums 136.000 Menschen an den Demonstrationen der "Gelbwesten".
Das französische Parlament soll sich ab Mittwoch in Sondersitzungen mit den Protesten befassen. Die Nationalversammlung berät am Mittwoch, der Senat am Donnerstag, wie die Regierung mitteilte. Am Montagabend wollte der Rechtsausschuss der Nationalversammlung zudem Innenminister Christophe Castaner und Innenstaatssekretär Laurent Nuñez zu ihrem Vorgehen befragen.
Nuñez versicherte im Sender RTL, eine Rückkehr zum Ausnahmezustand stehe trotz der Ausschreitungen "nicht auf der Tagesordnung". Innenminister Christophe Castaner hatte einen solchen Schritt am Samstag nicht ausgeschlossen. Der Ausnahmezustand war nach den islamistischen Anschlägen mit 130 Toten vom November 2015 verhängt und im November 2017 wieder aufgehoben worden.
Präsident Macron hatte sich am Sonntag ein Bild von den Zerstörungen in Paris gemacht. Nach seiner Rückkehr vom G20-Gipfel in Buenos Aires besuchte er den Triumphbogen, den Demonstranten mit Parolen wie "Triumph der Gelbwesten" und "Macron, tritt zurück!" besprüht hatten. Der Sachschaden wird auf mehrere Hunderttausend Euro geschätzt.
Am Montag kam es auch zu Protesten von Schülern gegen die Reform des französischen Abiturs. Rund hundert Gymnasien im Land waren ganz oder teilweise geschlossen. In Nizza und anderen Städten skandierten Schüler zum Teil Parolen der "Gelbwesten".
Wegen der Blockade von Treibstofflagern durch Aktivisten werden in einigen Landesteilen zudem Diesel und Benzin knapp: In der Bretagne im Westen des Landes verkauften Tankstellen zum Teil keinen Sprit mehr. Die Präfektur im abgelegenen Finistère rationierte den Verkauf.
(M.Dylatov--DTZ)