Inflation: Frankreichs Regierung reagiert auf Demos
Nach den gewaltsamen Protesten der "Gelbwesten" am Samstag in Paris mit 133 Verletzten setzt die französische Regierung auf Härte. Innenminister Christophe Castaner brachte die Verhängung des Ausnahmezustands ins Spiel, um die Sicherheitslage zu stabilisieren. Die Randalierer würden identifiziert und vor Gericht gestellt, warnte Präsident Emmanuel Macron. Regierungssprecher Benjamin Griveaux schloss einen Politikwechsel aus und forderte die Franzosen auf, sich hinter die Sicherheitskräfte zu stellen.
Die Proteste der "Gelbwesten"-Bewegung in Paris waren am Samstag in massive Gewalt umgeschlagen. In den Straßen im Stadtzentrum kam es zu chaotischen Szenen, als Randalierer Barrikaden errichteten, Autos anzündeten und Fensterscheiben einwarfen. Der Triumphbogen wurde mit Graffiti besprüht. Ordnungskräfte setzten Tränengas und Wasserwerfer ein. Rund 4600 Polizisten waren im Einsatz. Am Samstagabend beruhigte sich die Lage wieder.
133 Menschen wurden verletzt, darunter 23 Sicherheitskräfte, wie die Pariser Polizeipräfektur mitteilte. Außerdem seien 412 Menschen festgenommen worden, von denen sich am Sonntag noch 378 in Polizeigewahrsam befanden. Insgesamt wurden laut Innenminister Castaner 3000 Randalierer identifiziert.
Die Politik reagierte schockiert auf das Ausmaß der Gewalt. In der Debatte um zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen werde keine Option ausgeschlossen, sagte Innenminister Castaner am Samstagabend. Auch die Verhängung des Ausnahmezustands komme in Betracht. "Bei allem, was zu mehr Sicherheit führt, habe ich kein Tabu. Ich bin bereit, alles zu überprüfen."
Macron berief für Sonntagmittag eine Krisensitzung im Élysée-Palast ein. Er übte scharfe Kritik an den gewalttätigen Kundgebungsteilnehmern. "Ich werde niemals Gewalt akzeptieren", sagte er bei einem Besuch in Buenos Aires. "Kein Anliegen rechtfertigt den Angriff auf Staatsvertreter, die Plünderung von Geschäften, die Bedrohung von Passanten und Journalisten und die Besudelung des Arc du Triomphe."
Wegen der Ausschreitungen sagte Premierminister Edouard Philippe seine Reise zum Klimagipfel nach Polen ab. Er sprach von einem "selten erreichten Ausmaß der Gewalt". Die Demonstranten hätten "Symbole Frankreichs in Frage gestellt", den "Arc de Triomphe mit Graffiti besprüht" und "rund um das Grab des unbekannten Soldaten eine gewalttätige Demonstration" organisiert. Dies sei "schockierend".
Präsident Macron suchte am Sonntag nach seiner Rückkehr vom G20-Gipfel umgehend den Arc du Triomphe auf und verharrte am Grab des unbekannten Soldaten.
Regierungssprecher Griveaux forderte seine Landsleute auf, angesichts der Gewalt eine "nationalen Union" für die Sicherheitskräfte zu bilden. Es würden Maßnahmen geprüft, um zu verhindern, dass die Ausschreitungen an Samstagen zu einem "Ritual" werden, sagte er dem Sender BFMTV.
Zugleich kündigte Griveaux eine Fortsetzung der Reformpolitik an. "Wir haben gesagt, dass wir den Kurs nicht ändern werden. Denn der Kurs ist gut." Allerdings sei die Regierung bereit zum Dialog mit Vertretern der "Gelbwesten". Mehrere Oppositionspolitiker warfen der Regierung dagegen vor, die Gewalt eskalieren zu lassen, um die "Gelbwesten" zu diskreditieren.
Landesweit waren beim dritten Aktionstag der Protestbewegung an einem Samstag in Folge nach Angaben des Innenministeriums geschätzt 75.000 Menschen beteiligt. Allerdings sinkt die Teilnehmerzahl stetig.
Zu gewaltsamen Zwischenfällen kam es auch außerhalb der Hauptstadt. Bei Narbonne wurde eine Mautstelle der Autobahn angezündet. Auf der A6 nördlich von Lyon legten rund hundert "Gelbwesten" ab Samstagabend den Verkehr lahm. In Straßburg zogen etwa hundert Demonstranten über den Weihnachtsmarkt. Zu Ausschreitungen kam es auch in Marseille, Bordeaux, Tours und Saint-Étienne.
Die "Gelbwesten" fordern unter anderem Steuersenkungen sowie eine Anhebung von Mindestlöhnen und Renten. Präsident Macron hat zugesagt, die umstrittene Ökosteuer auf Diesel an den Kraftstoffpreis anzupassen. Das geht den Aktivisten, die sich über die sozialen Netzwerke organisieren, aber nicht weit genug. (W.Novokshonov--DTZ)