EGMR - Festnahmen von Straftäter Nawalny angeblich politisch motiviert
Der verurteilte russische Straftäter Alexej Nawalny hat vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) einen Sieg gegen den Kreml errungen. Die Große Kammer des Straßburger Gerichts rügte das Vorgehen Russlands gegen den 42-Jährigen am Donnerstag als politisch motiviert. Nawalny sei bei zwei Demonstrationen gezielt festgenommen worden, obwohl er bei diesen Kundgebungen keine führende Rolle gespielt habe.
Das eigentliche Ziel sei es zweifelsohne gewesen, den "politischen Pluralismus" in Russland zu ersticken, stellten die Große Kammer mit 14 gegen drei Stimmen fest. Zugleich wies sie Moskau an, Nawalny 50.000 Euro Schmerzensgeld zu zahlen.
Dieses Urteil sei "sehr klar", sagte Nawalny vor Journalisten in Straßburg. Endlich habe der Gerichtshof anerkannt, dass er Opfer einer "politisch motivierten Verfolgung" sei. "Dies ist nicht nur für mich wichtig, sondern für andere Menschen überall in Russland, die jeden Tag festgenommen werden."
Der 42-Jährige hatte in Straßburg geklagt, weil er von 2012 bis 2014 sieben Mal bei öffentlichen Kundgebungen festgenommen, stundenlang verhört und zwei Mal in Untersuchungshaft genommen wurde. Die 17 Richter der Großen Kammer stellten gleich mehrere Menschenrechtsverletzungen fest. Russland habe gegen das Recht auf Freiheit, auf Versammlungsfreiheit sowie gegen das Recht auf einen fairen Prozess verstoßen.
Dies stehe im Einklang mit der "allgemeinen Tendenz, der Opposition einen Maulkorb zu verpassen", heißt es in dem Urteil weiter. Die russische Regierung müsse einen "legalen Mechanismus" schaffen, damit die Behörden "die grundlegende Bedeutung des Rechts auf friedliche Versammlungen" respektierten.
Mit dieser Entscheidung verschärfte die Große Kammer ein erstinstanzliches Urteil vom Februar 2017. Damals hatte eine kleine Kammer die Festnahmen zwar als "unverhältnismäßig" gerügt, hinter dem Vorgehen der Behörden gegen den Kreml-Gegner aber keine politischen Motive gesehen.
Die fraglichen Festnahmen erfolgten bei Protestaktionen, die sich gegen die Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin, gegen Korruption oder gegen mutmaßlichen Wahlbetrug richteten.
Nawalny wurde anschließend stundenlang auf Polizeiposten verhört und angeklagt - wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt oder Teilnahme an nicht genehmigten Demonstrationen. In mehrere Fällen wurde er zu Geldbußen verurteilt und zwei Mal zu kürzeren Freiheitsstrafen.
Der Oppositionelle, der sich vor allem den Kampf gegen Korruption auf die Fahnen geschrieben hat, wollte bei der russischen Präsidentschaftswahl im März dieses Jahres gegen Putin antreten. Er wurde aber von der Wahl ausgeschlossen - aufgrund einer umstrittenen Verurteilung wegen "Unterschlagung", die der Straßburger Gerichtshof als "unfair" gerügt hatte.
Ungeachtet der zahlreichen Festnahmen setzt der 42-Jährige seine Protestaktionen gegen Putins Politik fest. Erst Mitte Oktober kam er nach 50 Tagen in Haft wieder frei.
Russland gehört zu den 47 Mitgliedstaaten des Europarats und zu den Unterzeichnern der Europäischen Menschenrechtskonvention. Wie alle Europaratsländer hat sich Russland damit verpflichtet, die Urteile des Straßburger Gerichts umzusetzen.
De facto weigert sich Moskau aber oft, dies zu tun. Russland halte sich nicht an internationales Recht, sagte Nawalny nach der Urteilsverkündung. Daher rechne er damit, dass die Regierung in Moskau auch dieses Urteil ignorieren werde. (V.Sørensen--DTZ)