Deutsche Tageszeitung - Vier Staats- und Regierungschefs in Istanbul wollenFrieden für Syrien

Vier Staats- und Regierungschefs in Istanbul wollenFrieden für Syrien


Vier Staats- und Regierungschefs in Istanbul wollenFrieden für Syrien
Vier Staats- und Regierungschefs in Istanbul wollenFrieden für Syrien / Foto: ©

Die Staats- und Regierungschefs der Türkei, Russlands, Frankreichs und Deutschlands haben sich am Samstag in Istanbul versammelt, um den Friedensprozess in Syrien voranzubringen und eine brüchige Waffenruhe in der letzten Rebellenbastion Idlib zu retten. Bei dem Vierer-Gipfel soll zudem über Hilfslieferungen für die notleidende Zivilbevölkerung diskutiert werden. Es ist das erste Treffen in diesem Format seit Beginn des Bürgerkriegs.

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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan empfing am Nachmittag Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Frankreichs Staatschefs Emmanuel Macron und Russlands Präsident Wladimir Putin im staatlichen Gästehaus Vahdettin Köskü auf der asiatischen Seite des Bosporus. Nach bilateralen Gesprächen begann mit einstündiger Verspätung das Gipfeltreffen.

"Die Augen der Welt sind auf diesem Gipfel", sagte Erdogan. Er hoffe auf eine "ernsthafte und konstruktive Verständigung". An dem Treffen nahm auch der scheidende UN-Sondergesandte Staffan de Mistura teil. Vor dem Gipfel empfing Erdogan Putin, Macron und Merkel zu bilateralen Gesprächen. Merkel traf zudem Putin und Macron zu einer kurzen Unterredung.

Für den frühen Abend war eine Pressekonferenz geplant. Aus Delegationskreisen hieß es, es werde weiter an einer gemeinsamen Abschlusserklärung gearbeitet. Der Elysée-Palast sprach von "bescheidenen Erwartungen". Putins Sprecher Dmitri Peskow rief alle Seiten auf, "realistisch" zu sein. Zwar wollten alle eine politische Lösung, doch herrsche Uneinigkeit über den Weg.

Macron schrieb vor Beginn des Gipfels auf Twitter, es gehe darum, "eine neue humanitäre Katastrophe" in Idlib zu verhindern. Bei einem Telefongespräch mit Putin bekräftigte er laut dem Elysée-Palast den Willen, "die Waffenruhe in Idlib zu verlängern, den Einsatz von Chemiewaffen zu verhindern, den Zugang für humanitäre Hilfe zu erlauben und einen Zeitplan für den politischen Prozess zu finden".

Russland und die Türkei setzen sich mit dem Iran seit Anfang 2017 im sogenannten Astana-Prozess für eine militärische Deeskalation in Syrien ein. Es ist das erste Mal, dass Russland und die Türkei nun mit Deutschland und Frankreich über den Konflikt beraten. Während Russland den syrischen Machthaber Baschar al-Assad unterstützt, unterstützen die Türkei und die Europäer die Opposition.

Der türkische Präsidentensprecher Ibrahim Kalin sagte, das Hauptziel des Gipfels sei es, "die Schritte zu einer politische Lösung zu klären und einen Fahrplan aufzustellen". Bemühungen de Misturas zur Bildung einer Kommission zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung scheiterten diese Woche aber zum Ärger des Westens am Widerstand von Damaskus.

Neben dem Friedensprozess soll es bei dem Gipfel vor allem um die Sicherung der Waffenruhe in Idlib gehen. Ein am 17. September in Sotschi getroffenes Abkommen zwischen der Türkei und Russland hat zwar zunächst eine Offensive der Assad-Truppen auf die Provinz im Nordwesten Syriens abgewendet, doch gab es in den Tagen vor dem Gipfel eine Zunahme der Gewalt.

Am Freitag wurden laut Aktivisten bei Artilleriebeschuss durch die Regierungstruppen in den Rebellengebieten sieben Zivilisten getötet. Syriens UN-Botschafter Baschar Dschaafari sagte, die von Moskau und Ankara vereinbarte Pufferzone um Idlib sei nur temporär, und die Provinz werde mittelfristig wieder unter Regierungskontrolle kommen.

Russland scheint zunächst gewillt, eine Offensive Assads auf Idlib zu verhindern. Moskau braucht die Türkei, um eine geplante politische Lösung bei der Opposition durchzusetzen. Die Europäer benötigt Russland wiederum, um den Wiederaufbau des Landes zu finanzieren.

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sagte der "Passauer Neuen Presse", "über ein Sicherheitskonzept hinaus ist die Weltgemeinschaft aufgefordert, jetzt ein Wiederaufbaukonzept zu erarbeiten". Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) betonte in Bahrain, Investitionen in Syrien dürften nicht der "Diktatur" von Assad zugute kommen.  (V.Korablyov--DTZ)

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