Deutsche Tageszeitung - Sri Lanka nach Auflösung des Parlaments in politischer Krise

Sri Lanka nach Auflösung des Parlaments in politischer Krise


Sri Lanka nach Auflösung des Parlaments in politischer Krise
Sri Lanka nach Auflösung des Parlaments in politischer Krise / Foto: ©

Sri Lanka steckt in einer tiefen politischen Krise: Nach der Absetzung von Regierungschef Ranil Wickremesinghe löste Präsident Maithripala Sirisena am Samstag das Parlament auf. Wickremesinghe hatte zuvor eine Notsitzung des Parlaments gefordert, um zu beweisen, dass die Mehrheit der Abgeordneten hinter ihm steht. Als seinen Nachfolger vereidigte Sirisena aber bereits den umstrittenen ehemaligen Staatschef Mahinda Rajapakse, der als Hardliner gilt.

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Parlamentsvertretern zufolge strich der Präsident alle Sitzungen der 225 Parlamentarier bis zum 16. November. Zuvor hatte der geschasste Regierungschef Wickremesinghe eine außerplanmäßige Zusammenkunft der Abgeordneten gefordert. Wickremesinghe besteht darauf, dass er der verfassungsmäßig gewählte Regierungschef ist und eine Mehrheit im Parlament hat.

Wickremesinghe hielt sich weiter in der Residenz des Regierungschefs auf. Der Streit müsse beendet werden, forderte er dort vor Journalisten. Das Parlament müsse "sofort" einberufen werden, damit er seine Mehrheit unter Beweis stellen könne.

Sri Lankas Präsident Sirisena hatte bereits am Freitag den umstrittenen ehemaligen Staatschef Rajapakse zum neuen Ministerpräsidenten ernannt. Zuvor hatte Sirisenas Vereinte Volksfreiheitsallianz (UPFA) die Regierungskoalition mit Wickremesinghes Vereinter Nationaler Partei (UNP) verlassen.

Der neu ernannte Regierungschef Rajapakse stand von 2005 bis Januar 2015 als Präsident an der Spitze des Inselstaats im Indischen Ozean und regierte mit eiserner Hand. Kritiker werfen ihm Korruption und die Ermordung politischer Gegner vor.

Strittig ist, ob der Präsident überhaupt befugt ist, den Regierungschef zu entlassen. Wickremesinghe hatte in seiner seit August 2015 laufenden Amtszeit die Verfassung entsprechend geändert und die Macht des Präsidenten in diesem Punkt beschnitten. Er reagierte damit auf eine eigene Erfahrung: 2004, als er schon einmal das Amt des Regierungschefs innehatte, entließ ihn der damalige Präsident und rief vorzeitige Wahlen aus.

Der Machtkampf rief international Besorgnis hervor. Die USA appellierten an alle Seiten, sich an die Verfassung des Landes zu halten und auf Gewalt zu verzichten. Ähnlich äußerten sich auch europäische Botschafter.

Der deutsche Botschafter, Jörn Rohde, verwies im Kurzbotschaftendienst Twitter auf die sri-lankische Verfassung, wonach der vom Präsidenten ernannte Regierungschef das Vertrauen des Parlaments haben muss. Das Parlament müsse deshalb "ohne Verzögerung" Stellung beziehen. In einer Demokratie gehe es um "Rechtsstaatlichkeit und Transparenz", schrieb Rohde.

Reporter berichteten unterdessen, dass Unterstützer des neu ernannten Regierungschefs Rajapakse in der Nacht zu Samstag die Redaktionen von zwei staatlichen Fernsehsendern gestürmt und Journalisten eingeschüchtert hätten. Während die Sender bisher als loyal gegenüber Wickremesinghe galten, schlugen sie sich am Samstag auf die Seite Rajapakses.

Darüber hinaus gab es Berichte über vereinzelte Angriffe auf Anhänger der Partei von Wickremesinghe in verschiedenen Teilen des Landes. In der Hauptstadt Colombo war es am Samstag zunächst ruhig. Das Sicherheitsaufgebot rund um die Residenzen von Wickremesinghe und Rajapakse wurde jedoch verstärkt.

(A.Nikiforov--DTZ)

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