Deutsche Tageszeitung - Vorwurf der Wählermanipulation bei Präsidentschaftswahl in Brasilien

Vorwurf der Wählermanipulation bei Präsidentschaftswahl in Brasilien


Vorwurf der Wählermanipulation bei Präsidentschaftswahl in Brasilien
Vorwurf der Wählermanipulation bei Präsidentschaftswahl in Brasilien / Foto: ©

Der linke brasilianische Präsidentschaftskandidat Fernando Haddad hat seinem rechtspopulistischen Konkurrenten Jair Bolsonaro schmutzige Wahlkampftricks über den Messengerdienst Whatsapp vorgeworfen. Bolsonaro habe zusammen mit Unternehmern eine "kriminelle Organisation" gegründet, um mit "schmutzigem Geld" über Whatsapp Falschnachrichten zu verbreiten, schrieb Haddad am Donnerstag im Kurzbotschaftendienst Twitter. Spätestens damit ist in Brasilien eine Debatte über eine mögliche Wählermanipulation über die sozialen Netzwerke entbrannt.

Textgröße ändern:

Bei einer Pressekonferenz in São Paulo sagte Haddad, über Whatsapp seien hunderttausende Botschaften an Wähler verschickt worden, "alle falsch", um die Wahl zu beeinflussen. In die Affäre verwickelt seien "156 Unternehmer". Der Kandidat der Arbeiterpartei (PT) von Ex-Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva kündigte an, die Bundespolizei und die Wahljustiz einzuschalten - und sich auch an die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) wenden zu wollen.

Die brasilianischen Wahlbehörden leiteten Ermittlungen ein. Auch die Facebook-Tochter Whatsapp kündigte an, den Vorwürfen nachgehen zu wollen.

Zuvor hatte die angesehene Tageszeitung "Folha de São Paulo" berichtet, Unternehmen hätten vor der ersten Wahlrunde am 7. Oktober ein massenhaftes Verschicken von Whatsapp-Nachrichten finanziert, die sich gegen die Arbeiterpartei richteten. Für diese Kampagne seien Verträge mit einem Wert von bis zu umgerechnet 2,8 Millionen Euro pro Vertrag abgeschlossen worden.

Die Kontaktdaten der Adressaten seien von Bolsonaros Wahlkampfteam geliefert worden oder bei spezialisierten Agenturen gekauft worden, berichtete die Zeitung. Vor der Stichwahl am 28. Oktober sei eine neue Offensive geplant. Die Vorwürfe wiegen schwer: In Brasilien ist eine Wahlkampffinanzierung durch Unternehmen verboten.

Bolsonaros Anwalt Tiago Ayres wies die Vorwürfe am Donnerstag zurück: Es gebe keinen Beweis für eine Verbindung zwischen Bolsonaros Wahlkampfteam und den von der "Folha de São Paulo" genannten Unternehmen. Bolsonaro selbst twitterte, die Arbeiterpartei leide nicht unter Falschnachrichten, sondern unter der "Wahrheit".

Der Vorsitzende von Bolsonaros Partei PSL, Gustavo Bebbiano, bezeichnete Haddads Vorwürfe als "lachhaft". Sie zeugten von der "Verzweiflung" des in Umfragen weit hinten liegenden Linkskandidaten.

Whatsapp ist in Brasilien weit verbreitet und hat mindestens 120 Millionen Nutzer. Der Rechtspopulist Bolsonaro, der auch als "Donald Trump Brasiliens" bezeichnet wird, ist in den sozialen Netzwerken viel präsenter als sein Konkurrent Haddad und stützt seinen Wahlkampf maßgeblich auf das Internet. In den sozialen Netzwerken folgen ihm 14 Millionen Menschen - Haddad kommt nur auf rund 2,8 Millionen.

Bolsonaro hatte die erste Runde der Präsidentschaftswahl am 7. Oktober klar gewonnen: Er kam auf rund 46 Prozent und landete damit weit vor dem Zweitplatzierten Haddad mit rund 29 Prozent. Für die Stichwahl in anderthalb Wochen ist der Rechtspopulist klarer Favorit, aktuelle Umfragen sehen ihn bei 59 Prozent.

Bolsonaro ist ein Verteidiger der früheren Militärdiktatur in Brasilien (1964 bis 1985) und hat für den Fall eines Wahlsiegs einen harten Kampf gegen Korruption und Kriminalität angekündigt. Zudem will er die Waffengesetze lockern. Mit abfälligen Bemerkungen über Frauen, Homosexuelle und Schwarze polarisiert der Ex-Offizier die brasilianische Gesellschaft.

(V.Sørensen--DTZ)

Empfohlen

Frankreich: Mehr als 100.000 Menschen protestieren gegen rechtsgerichteten Premier

In Frankreich haben am Samstag nach Angaben des Innenministeriums mehr als 100.000 Menschen gegen die Ernennung des neuen rechtsgerichteten Premierministers Michel Barnier demonstriert. Allein in Paris waren es demnach 26.000. Aber auch in vielen anderen Städten wie Nantes, Nizza, Marseille und Straßburg gingen die Menschen gegen die Regierungsübernahme durch den 73-jährigen Konservativen auf die Straße. Die Wut der Demonstrierenden richtete sich auch gegen Präsident Emmanuel Macron.

Tausende in Israel demonstrieren erneut für Abkommen für Freilassung der Geiseln

Genau elf Monate nach dem beispiellosen Angriff der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas auf Israel sind dort erneut tausende Menschen für ein Abkommen über eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung aller Geiseln auf die Straße gegangen. Unter den Teilnehmern der Kundgebungen in Tel Aviv, Jerusalem und anderen Städten waren am Samstag auch Angehörige der immer noch im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln.

Niedrige Wahlbeteiligung: Präsidentschaftswahl in Algerien zu Ende gegangen

Nach einer einstündigen Verlängerung ist die Präsidentschaftwahl in Algerien am Samstag zu Ende gegangen. Statt wie geplant um 20.00 Uhr schlossen die Wahllokale in dem nordafrikanischen Land angesichts einer sehr niedrigen Wahlbeteiligung erst um 21.00 Uhr Ortszeit (22.00 Uhr MESZ).

Großdemo für "Freiheit" nach Sperrung des Onlinediensts X in Brasilien

Nach der Sperrung des Onlinedienstes X in Brasilien sind in dem südamerikanischen Land am Samstag tausende Demonstranten auf die Straße gegangen. Die Kundgebung in der Wirtschaftsmetropole São Paulo fand am brasilianischen Unabhängigkeitstag als Gegenveranstaltung zu einer offiziellen Parade in der Hauptstadt Brasília mit dem linksgerichteten Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva statt. Dessen rechtsextremer Amtsvorgänger Jair Bolsonaro unterstützte den Protestmarsch in São Paulo.

Textgröße ändern: