Deutsche Tageszeitung - Nach blutig beendeter Geiselnahme von Köln prüft Polizei terroristisches Motiv

Nach blutig beendeter Geiselnahme von Köln prüft Polizei terroristisches Motiv


Nach blutig beendeter Geiselnahme von Köln prüft Polizei terroristisches Motiv
Nach blutig beendeter Geiselnahme von Köln prüft Polizei terroristisches Motiv / Foto: ©

Nach einer blutig beendeten Geiselnahme im Kölner Hauptbahnhof prüft die Polizei einen möglichen terroristischen Hintergrund. Nachdem Spezialkräfte am Nachmittag eine weibliche Geisel befreit und den Täter niedergeschossen hatten, gingen die Ermittler am Abend dem Verdacht nach, dass es sich bei dem mit Molotowcocktails und Gaskartuschen verübten Gewaltverbrechen um einen vereitelten Anschlag handelte. Am Tatort wurden Ausweisdokumente eines polizeibekannten Syrers gefunden.

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Ermittelt werde in alle Richtungen, sagte die stellvertretende Kölner Polizeipräsidentin Miriam Brauns. "Auch einen Terroranschlag schließen wir dabei nicht aus." Nach Polizeiangaben wurde am Tatort im Kölner Hauptbahnhof ein Ausweisdokument gefunden, das auf einen 55-jährigen Syrer ausgestellt ist.

Noch nicht endgültig gesichert war aber, ob das Dokument zu dem bei dem Polizeieinsatz lebensgefährlich verletzten Geiselnehmer gehört. Der Tatverdächtige wurde am Abend in einer Klinik notoperiert. Bei dem Zugriff durch ein Spezialeinsatzkommando wurde auch die Angestellte der Apotheke verletzt, die der Täter am Mittag in seine Gewalt gebracht hatte.

Nach Erkenntnissen der Ermittler spielte sich der Geschehen an zwei Tatorten ab. Zunächst soll der Täter in der Filiale einer Schnellrestaurantkette im Kölner Hauptbahnhof Molotowcocktails geworfen haben. Dabei erlitt ein 14-jähriges Mädchen Brandverletzungen am Fuß, eine weitere Frau zog sich eine Rauchvergiftung zu.

Durch die Brandsätze wurde den Ermittlern zufolge die Sprinkleranlage in dem Restaurant aktiviert. Dies soll den Täter veranlasst haben, in die benachbarte Apotheke zu flüchten, wo er eine Angestellte als Geisel nahm. Wie Polizeieinsatzleiter Klaus Rüschenschmidt mitteilte, soll der Mann Zeugen zufolge bei der Tat gesagt haben, dass er der "Terrorgruppe Daesh" angehöre. Dabei handelt es sich um den arabischen Namen der Dschihadistenorganisation Islamischer Staat (IS).

In der Apotheke soll der Täter seine Geisel massiv bedroht haben. Am Tatort fanden die Ermittler unter anderem zwei Gaskartuschen, die mit einem Klebeband zusammengebunden waren. Als Einsatzkräfte am weiträumig abgesperrten Tatort Benzingeruch wahrnahmen, entschloss sich die Polizei zum Zugriff. Rüschenschmidt zufolge eröffneten drei SEK-Polizisten das Feuer auf den Mann.

Dieser trug mehrere Schussverletzungen davon. Eine Ärztin der ebenfalls eingesetzten Anti-Terror-Spezialeinheit GSG 9 versorgte ihn am Tatort, ehe er in eine Klinik gebracht und dort stundenlang operiert wurde.

Der Täter habe "wohl noch versucht, die Geisel anzuzünden", sagte Rüschenschmidt. Beim Zugriff der Polizei habe er eine Schusswaffe in der Hand gehalten. Unklar war aber zunächst, ob es sich um eine scharfe Waffe oder eine Gaspistole handelte.

Das im hinteren Bereich der Apotheke gefundene Ausweisdokument wurde auf den 1963 geborenen Syrer ausgestellt, bei dem es sich nach Angaben des Kölner Kripochefs Klaus-Stephan Becker "mit hoher Wahrscheinlichkeit" um den Täter handeln dürfte.

Letztlich gebe es aber "noch keine gesicherten Informationen" über die Identität des Mannes, betonte Becker. Der Inhaber des Duldungsdokuments ist der Polizei demnach seit 2016 wegen mehrerer Straftaten bekannt, unter anderem wegen Diebstahls, Körperverletzung und Hausfriedensbruchs.

Ein Augenzeugen hatte am Montag um 12.42 Uhr die Polizei per Notruf von den Vorgängen am Breslauer Platz auf der Rückseite des Kölner Hauptbahnhofs informiert. Die Einsatzkräfte, darunter allein rund hundert Feuerwehrleute, rückten daraufhin mit einem Großaufgebot an und sperrten das Bahnhofsgebäude komplett ab. Der Zugverkehr am Kölner Hauptbahnhof, dem größten Bahnknotenpunkt Westdeutschlands, kam vollständig zum Erliegen.

Besucher wurden über Lautsprecherdurchsagen dazu aufgefordert, den Hauptbahnhof schnellstmöglich zu verlassen. Beim Zugriff des SEK am Nachmittag um 14.54 Uhr feuerten Beamten zwei Blendgranaten ab. Die Explosionen waren deutlich zu hören, wie ein AFP-Reporter vor Ort berichtete.

Regierungssprecher Steffen Seibert bedankte sich am Montagabend via Twitter bei den Einsatzkräften in Köln. "Die Gedanken sind jetzt bei den beiden verletzten Frauen, die hoffentlich bald wieder gesund werden", schrieb er.

(U.Stolizkaya--DTZ)

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